Der fremde Mensch

MEDIEN UND KRIEG Judith Butler über die Effekte der amerikanischen Kriegsberichterstattung

Krieg gehört in der Gegenwart zum Alltag. Und das massenmediale Bild vom Krieg ist ein beiläufiges. Es ist eines, das kaum Protest hervorruft, sondern den Krieg als perfekt laufende staatliche Maßnahme zeigt. Die feministische Theoretikerin Judith Butler – in den 1990er-Jahren durch ihr viel diskutiertes Buch „Gender Trouble“ bekannt geworden – beschäftigt sich in ihrem nun auf Deutsch erschienenen Buch „Krieg und Affekt“ damit, wie die Massenmedien die Deutungsmuster und Wahrnehmung von Krieg und Gewalt steuern.

Vor allem anhand der amerikanischen Berichterstattung über den Irakkrieg und Gedichten aus dem Militärgefängnis Guantánamo untersucht Butler, wie die Medien wen als Menschen zeigen und wem sie diesen Status gar nicht erst zubilligen.

Mit ihrem aktuellen Buch „Krieg und Affekt“ will sie eine andere und komplizierte Protestsprache entwickeln. Begriffe wie „globale Verantwortung“ denkt Butler anders als im üblichen Diskurs der Massenmedien.

So fordert sie beispielsweise, dass die Verletzbarkeit des Körpers nicht auf seine Verwundbarkeit reduziert werden sollte. Das Verhältnis der Körper zur Welt äußere sich in sehr unterschiedlichen Reaktionen, die sie als Affekte bezeichnet: „als Lust, Wut, Leid, Hoffnung“.

In ihrer Kritik geht sie daran, Affekte nicht nur als Nebensache, sondern als Stoff kultureller Vorstellungen zu thematisieren. Das bedeutet, die Rolle von Affekten in gegenwärtigen politischen Zusammenhängen wie eben der massenmedialen Wahrnehmung von Krieg zu betrachten. Damit will sie darauf hinweisen, dass etwas vermeintlich Gegebenes und nicht Manipulierbares, wie die eigenen Gefühle, von Massenmedien durchaus gesteuert werden kann.

Politisches Handeln ist in ihrem Ansatz eine kritische Lektüre der massenmedialen Sprache. Was wie ein altes pazifistisches Plädoyer klingt, ist in ihrer Theorie an feministische Körperpolitik geknüpft. Butlers Interpretation der Gedichte von Gefängnisinsassen aus Guantánamo analysiert das körperliche Verlangen dieser Autoren. Es geht ihr im Aufzeigen dieser Körperlichkeit nicht bloß darum, die politischen Verfehlungen der amerikanischen Justiz anzuprangern. Es geht ihr darum, ein Plädoyer für den von vielen Theoretikern verworfenen Begriff des Menschen wieder zu beleben.

Butler deswegen vorzuwerfen, sie würde aus demokratisch ethischem Pathos heraus einfach nur menscheln, greift zu kurz. Denn es handelt sich bei Butler um eine kleine Utopie, die darin besteht, sich die Frage zu stellen, was eigentlich Leben heißt, um sich gegen die von den Massenmedien produzierte Wahrnehmung zu wehren. CHRISTOPHER STRUNZ

Judith Butler: „Krieg und Affekt“. Herausgegeben und übersetzt von Judith Mohrmann, Juliane Rebentisch und Eva von Redecker. Diaphanes, Zürich/Berlin 2009, 112 S., 8 Euro