Zielobjekt FDP

BÜRGERRECHTE Wenn es um Netzpolitik geht, sind Onlineaktivisten und linksliberale FDPler oft einer Meinung. Trotzdem sind sie sich noch fremd

Die FDP: Die Liberalen haben sich in ihrem Wahlprogramm klar zu digitalen Bürgerrechtsthemen positioniert: Dort fordern sie die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und den Verzicht auf Onlinedurchsuchungen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, rechtspolitische FDP-Sprecherin, kündigte an, das Internetsperren-Gesetz stoppen zu wollen.

Die Netzaktivisten: In den letzten Jahren ist ein breites Spektrum von Aktivisten entstanden, die sich für den freien digitalen Raum einsetzen. Neben dem Bürgerrechtsverein Foebud und den Hackern vom Chaos Computer Club spielen der AK Zensur und der AK Vorrat eine große Rolle – Gruppen, die gegen Internetsperren und Vorratsdatenspeicherung kämpfen.

VON JULIA SEELIGER

Die deutschen Netzaktivisten und die FDP standen sich bislang nicht sehr nah. Eigentlich seltsam, denn die FDP machte sich für Netzbürgerrechte stark. Aber den meisten relevanten Bewegungsakteuren ist einfach nicht klar, wie mächtig der Bürgerrechtlerflügel der FDP ist – oder ob er sich auf die drei „Freiburger“ Burkhard Hirsch, Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beschränkt. Schließlich war die FDP auf großen zivilgesellschaftlichen Ereignissen wie der „Freiheit statt Angst“-Demo nur als vereinzelt vertreten. Jetzt hat sie die Chance, ihr Verhältnis zur Bewegung neu zu klären – und die Aktivistenszene unternimmt erste vorsichtige Versuche, mit der Partei in Kontakt zu treten.

„Wir haben schon vor den Koalitionsverhandlungen Frau Leutheusser-Schnarrenberger einen großen Katalog an Forderungen zugeschickt“, sagt Padeluun vom Bürgerrechtsverein Foebud. Er hofft darauf, dass die FDP-Frau sich für Netzbürgerrechte starkmacht – schließlich kämpfte sie schon als Justizministerin in den Neunzigern gegen den „großen Lauschangriff“ und trat zurück, weil sie ihn nicht verhindern konnte. Nun ist sie erneut für diesen Posten im Gespräch – und Bürgerrechtler Padeluun glaubt, dass sie ebenso wie die FDP-Granden Baum und Hirsch „viel in die Wagschale werfen“ wird, um eine bürgerrechtlich-liberale Handschrift im schwarz-gelben Koalitionsvertrag deutlich erkennbar zu machen.

Markus Beckedahl, Blogger bei netzpolitik.org, ist weniger optimistisch. Er glaubt, dass es den Liberalen kaum gelingen wird, grundsätzliche Veränderungen in netzpolitischen Fragen so durchzusetzen, wie sie sie im Wahlkampf angekündigt haben. Man könne aber davon ausgehen, dass „die FDP Skalpe will“, also Zugeständnisse in Bürgerrechtsfragen. Sie werde es jedoch in den Verhandlungen mit der CDU schwer haben. Er erwartet deshalb „allerhöchstens kosmetische Veränderungen beim Netzsperrengesetz“.

Nicht zuletzt, weil die Union kurz vor der Wahl einen Forderungskatalog vorlegte, in dem sie unter anderem mehr Befugnisse für Verfassungsschutz und Polizei fordert. „Mit dieser Liste zeigt die CDU der FDP die Folterinstrumente“, sagt Rena Tangens von Foebud.

Grund genug für die Netzaktivisten, bei der FDP Verbündete zu suchen und in einen Dialog zu treten. Um die Gesetzgebung zu beeinflussen, hilft ihnen die Kooperation mit Grünen und Linkspartei nicht weiter. Und mit ein paar kosmetischen Veränderungen beim Netzsperrengesetz wollen sie sich sich nicht abspeisen lassen.

Darum fordert der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der AK Vorrat, Leutheusser-Schnarrenberger per Postkartenaktion zum Handeln auf. Soll man in der Vorratsdatenspeicherung alle erfassen, obwohl so nur 0,006 Prozent mehr Straftaten aufgeklärt werden, fragt er und verweist auf die Verfassungsbeschwerde zu diesem Thema – zu deren Unterstützern auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gehörte.

Alvar Freude vom Arbeitskreis Zensur fordert von der FDP: „Das Netzsperrengesetz muss ganz weg.“ Das habe die Partei schließlich im Wahlkampf versprochen. Auf der Mailingliste von Freudes Netzwerk stehen einige FDPler, auch ein Bundestagsbüro. Man steht also in Kontakt, aktive Lobbyarbeit bei der FDP wollen aber derzeit weder der AK Zensur noch andere Netzaktivisten zugeben – wohl aus taktischen Gründen. Aktuell beschränkt man sich auf öffentliche Appelle an FDP-Bürgerrechtler. Eine Ausnahme ist Patrick Breyer vom AK Vorrat: Er rief schon vor der Wahl dazu auf, FDP zu wählen – aus pragmatischen Gründen.

Bisher läuft die Kommunikation zwischen beiden Seiten noch schleppend. Man kennt sich einfach noch nicht gut. Das liegt auch daran, dass die Netzaktivisten von den etablierten Parteien in den letzten Jahren häufig enttäuscht wurden. Zuletzt bei der Debatte über das Netzsperrengesetz, in der sie sich alleingelassen und in ihren Argumenten ignoriert sahen. Der Bürgerrechtler Padeluun sieht es darum weiter als Aufgabe, „solche Themen in die Debatte hineinzubringen“. Die Parteien „schaffen das nicht, das hat man ja gesehen“.