die woche in berlin
: die woche in berlin

Rot-Rot-Grün beschließt den Mietendeckel. Ein gewichtiges Stück Club-Geschichte zieht in die Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum ein. Und Antidiskriminierungsbeauftragte Saraya Gomis geht – Organisationen fordern nun eine unabhängige Beschwerdestelle mit echter Macht.

Mal sehen, ob er hält, was er verspricht

Der Mietendeckel kommt. Jetzt ist Zeit für Detailfragen

Der Mietendeckel ist beschlossen, der Kampf um ihn aber nicht abgeschlossen. Am Dienstag rang sich der rot-rot-grüne Senat nach einer – euphemistisch ausgedrückt – kurzfristigen innerkoalitionären Verunsicherung doch noch dazu durch, ein Eckpunktepapier zu beschließen. In den Wochen zuvor hatten sich Eigentümerverbände, Mietervertreter und Politiker über Ausnahmen für gemeinwohlorientierte Vermieter wie Genossenschaften, energetische Sanierungen, eine noch zu bestimmende Mietobergrenze und viel mehr gestritten.

An diesem Punkt lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit und einer in die Zukunft.

Der Blick in die Vergangenheit: Dass der Mietendeckel polarisiert, seit er als Idee im Raum steht, überrascht kein bisschen. So wie das Enteignungsvolksbegehren geht es auch beim Mieten­deckel, wenn auch mittelbarer, um knallharte materielle Interessen, um Geld, um Profite.

Bei aller differenzierter Betrachtung der Vermieterschaft: Ihre Hysterie und öffentliche Empörung über den Mietendeckel war und ist so verständlich wie erwartbar. In einem strukturellen Interessenkonflikt – Mieter gegen Vermieter – hat sich das politische Machtverhältnis dieses Mal gegen diejenigen entschieden, die besitzen, nämlich Wohnungen, und für diejenigen, die nicht besitzen. Das zeigt: Geld und politische Macht sind nicht deckungsgleich, Politik kann sich auch mal für die Abhängigen lohnen.

Der Blick in die Zukunft: Damit ist die Auseinandersetzung aber noch nicht zu Ende. Denn jetzt beginnt ein Prozess, der nicht minder entscheidend ist: das Ringen um die konkrete Ausgestaltung des Mietendeckels – und letztendlich um seine finale Wirksamkeit. Damit ist der richtige Zeitpunkt für Detaileinwände gekommen, etwa durch gemeinwohlorientierte Vermieter mit Verweis auf ihre Instandhaltungskosten, aber auch für Streit um die konkrete Ausgestaltung der Härtefallregelung oder um die konkrete Mietobergrenze. Vor Senatsbeschluss waren sie fehl am Platz, weil das Papier viel zu allgemein formuliert war, um dafür als Diskussionsgrundlage zu dienen.

Der Plan der nächsten Monate: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung legt einen Gesetzesentwurf vor, Fachkreise und Verbände werden angehört, dann beginnt das sogenannte Mitzeichnungsverfahren, die involvierten Senatsverwaltungen der Justiz, Finanzen, Wirtschaft und Umwelt positionieren sich, im Oktober beschließt der Senat den Entwurf – der dann im Abgeordnetenhaus gelesen und dort wiederum am 12. Dezember beschlossen wird. Anfang Januar 2020 soll er in Kraft treten.

Auch diejenigen Vermieter, die immerzu beteuerten, dass sie nicht zu den Bösen gehören und die Nöte betroffener Mieter verstehen, die den Mietendeckel aber mit Verweis auf ihre eigene Wirtschaftlichkeit kritisiert haben, können sich an diesem Prozess konstruktiv beteiligen. Am Ende werden dann einmal mehr die politischen Machtverhältnisse darüber entscheiden, wie der Deckel am Ende aussieht und ob er tatsächlich hält, was er verspricht. Volkan Ağar

Am Ende werden einmal mehr die politischen Machtver-hältnisse darüber entscheiden, wie der Deckel am Ende aussieht

Volkan Ağarüber den beschlossenen Mietendeckel

2,30 Meter hoch und 2,7 Tonnen schwer

Die Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum hat eine Tür

Am Anfang sicherte die Tür den Tresorraum einer Bank im Wertheim in der Leipziger Straße, einem der prunkvollsten Warenhäuser seiner Zeit, das 1937 von den Nazis „arisiert“ wurde. Kurz nach der Wende entdeckte Dimitri Hegemann hinter der Tür eine unterirdische Stahlkammer, die unter dem Namen Tresor bald als Geburtsort der Techno-Bewegung weltberühmt werden sollte. Am Dienstag wurde die 2,30 Meter hohe und 2,7 Tonnen schwere Tür, ein von Witterung und Frost zerfressenes Monstrum aus Stahl, feierlich als erstes Exponat der Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum willkommen geheißen. Und diesem Ding kann man als teilnehmender Beobachter durchaus zwiespältig gegenüberstehen.

Da ist zum einen, dass diese Tür tatsächlich ein sehr schönes, „erzählstarkes Stück Zeitgeschichte“ ist, wie Moritz von Dülmen, Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin, es treffend in Worte gefasst hat. Die Tür berichtet von den goldenen Zwanzigern, von Verfolgung und Krieg, von der Teilung der Stadt und vom Aufbruchsgeist nach der Wende.

Andererseits erinnert die Tür aber auch an das Ende dieser Euphorie. 2005 musste der Club Tresor der Neubebauung weichen. Dimitri Hegemann wird nicht müde, zu betonen, dass die Büros in diesen Neubauten bis heute leer stehen. Sein Club in der Köpenicker Straße konnte und wollte nie an die wilden Neunziger anknüpfen. Die Stadt ist einfach viel zu eng und zu kommerziell geworden, als dass er das schaffen könnte.

Und nun landet die Tür im Museum. Das hat etwas Abschließendes, so als wollte dieser Akt einen Schlussstrich ziehen unter eine Zeit, die unwiderruflich verloren ist. Noch dazu landet die Tür nicht in irgendeinem, sondern in einem Museum, das in dieser Stadt wie zuletzt bei der Verschiebung der Eröffnung von Ende dieses Jahres auf irgendwann 2020 viel Häme über sich ergehen lassen muss.

Die Berliner Stadtgesellschaft ist bis heute zutiefst zerstritten in der Frage, ob das Humboldt Forum im Berliner Schloss die historische Mitte der Stadt wiederbeleben wird – oder ob es die Verwerfungen in dieser Stadt einfach auf sehr billige Art verkleistern möchte. Noch immer sind besonders viele mit sogenannter DDR-Sozialisation empört darüber, dass der Palast der Republik für ein Bauwerk abgerissen wurde, das allen noch so fortschrittlichen Inhalten zum Trotz an Preußens Glanz und Gloria erinnert. Von kultureller Überbügelung war da die Rede, mindestens.

Und ausgerechnet in diesem Schloss soll nun also an den Tresor erinnert werden. An einen Ort, wo der Westen den Osten erobert hat. Was soll man davon ­halten? Susanne Messmer

Eine verbesserliche Optimistin

Die Antidiskriminierungs­be­auftragte für Schulen wirft hin

Obwohl Diskriminierung an Schulen vonseiten des Lehr- oder sonstigen Personals mittlerweile vielfach nachgewiesen wurde, scheint nichts so schwer, wie dagegen anzugehen. In Berlin sollte das eine in der Senatsverwaltung für Bildung selbst angesiedelte Antidiskriminierungsbeauftragte versuchen. Sie sei „eine unverbesserliche Optimistin“, hatte Saraya Gomis im Dezember 2018, zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt, im Interview mit der taz gesagt. Nun wirft sie hin.

Von 170 in der Mehrzahl rassistischen Diskriminierungsfällen hatte Gomis damals berichtet, 84 davon – fast exakt die Hälfte – von Lehrkräften oder anderem Schulpersonal begangen: an SchülerInnen. Das ist ein Drama, denn die Tä­ter*innen sind die Menschen, denen wir unsere Kinder anvertrauen, die diesen Aus- und auch Vorbilder sein sollen und damit viel Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen, vor allem aber auch viel Macht über diese haben.

Denn so ist es nun mal: Die Machtverhältnisse an Schulen sind eindeutig. Ja, Schüler*innen können Lehrkräfte, Erzie­her*innen, Sozial*arbeiter*innen beleidigen, bedrohen, sie sogar körperlich angreifen und das passiert auch. Doch es ist der Apparat der Erwachsenen, der (dann) Konsequenzen beschließt, der Noten gibt, über Versetzungen entscheidet, Schulverweise aussprechen und bei jungen Erwachsenen mit erfüllter Schulpflicht Schulkarrieren auch gänzlich beenden kann.

Genau deshalb, nämlich um in diesen Apparat hineinwirken zu können, war Gomis’ Stelle bei der Schulverwaltung selbst angesiedelt. Das hat offenbar nicht funktioniert. Auch wenn sie selbst keine Gründe angibt, kann nach vielen Stellungnahmen aus ihrem Arbeitsumfeld – etwa Migrant*innenselbstorganisationen und deren Beschwerdestellen gegen Diskriminierung – davon ausgegangen werden, dass die Antidiskrimierungsbeauftragte deshalb hinwirft, weil sie bei ihrer Arbeit intern nicht ausreichend unterstützt wurde.

Nun steht erneut die Forderung nach einer (verwaltungs-)unabhängigen Beschwerdestelle im Raum, die der Migrationsrat und seine Mitgliedsorganisationen in dieser Woche aufstellten. Welche Befugnisse, welche Sanktionsmöglichkeiten eine solche gegenüber Schulleitungen und Lehrkörpern hätte, ist jedoch ungewiss. Während Schüler*innen also weiterhin für Vergehen wie Diskriminierungen bestraft werden können, bleibt bei den Pädagog*innen vorerst nur die Hoffnung, dass sie verstehen, dass auch sie Fehler machen und auch sie aus Fehlern lernen könnten. Alke Wierth