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JUSTIZ 9.000 Euro fordert eine Frau – weil es sieben Jahre dauerte, ehe das Gericht über sie entschied

Die deutsche Justiz fiel europaweit immer wieder durch äußerst lange Verfahren auf

Am Bremer Oberlandesgericht gibt es erstmals einen Prozess wegen eines „überlangen“ Gerichtsverfahrens. Im konkreten Fall geht es um eine Frau, die 2004 wegen Einschleusens von Ausländern angeklagt war. Erst im Herbst vergangenen Jahres entschied das Landgericht, ob überhaupt ein Hauptverfahren eröffnet werden soll – und lehnte die Zulassung der Klage ab. Nur fordert die Frau dafür eine Entschädigung von mindestens 9.000 Euro ein.

Hintergrund: Seit 2011 können Betroffene Geld einklagen, wenn ein Verfahren „unangemessen“ lange gedauert hat, wie es im Gesetz heißt. 1.200 Euro sind dafür als Richtwert vorgesehen, für jedes Jahr der Verzögerung, für körperliche und seelische Belastungen ebenso wie für materielle Nachteile. Wie lange ein Prozess dauern darf, ist allerdings nicht geregelt. Der selbst überlastete Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg verlangt schon seit Jahren von Deutschland einen besseren Schutz vor überlangen Verfahren. Bei vier von fünf Verurteilungen Deutschlands durch den EGMR geht es um Verzögerungen bei der Justiz.

Die jetzige Klägerin, ihr Sohn und die Schwiegertochter gerieten 2002 in Verdacht, osteuropäische Frauen zuerst nach Deutschland gebracht und dann in Dänemark mit Scheinehemännern verheiratet zu haben. Nach erteilter Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis wurden die Frauen in Modellwohnungen zur Prostitution gezwungen. Im März 2003 wurde die Frau angezeigt, im Dezember des gleichen Jahres kam sie in Untersuchungshaft, 2004 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Landgericht. Dort ruhten die Akten fast sieben Jahre. Erst in diesem Jahr wurden die Prozesse gegen die übrigen Beschuldigten abgeschlossen. MNZ