Endlich Tapetenwechsel

Die DFB-Auswahl steht schon vor dem Vorrundenabschluss heute gegen Südafrikaim Achtelfinale. Dort soll, dort muss aber noch vieles besser werden

Drischt zur Not den Ball weg: DFB-­Torhüterin Almuth Schult Foto: action pictures/imago

Aus MontpellierAlina Schwermer

Den Spielerinnen war die Erleichterung anzumerken, im sonnigen Süden gelandet zu sein. Sara Doorsoun und Marina Hegering schwärmten am Freitag von der Innenstadt von Montpellier mit den kleinen Gassen und gemütlichen Cafés; Almuth Schult berichtete am Samstag, wie schön es sei, mal im Zentrum zu wohnen und „südfranzösische Atmosphäre und Tapetenwechsel schnuppern zu können“. Es gab einen Strandausflug, die Lockerheit soll sich dann irgendwie ins Spiel übertragen, die Zeichen stehen auf Neustart.

Nach den beiden schwachen Partien gegen China und Spanien, die jeweils überaus glücklich mit 1:0 endeten, soll im letzten Gruppenspiel gegen Südafrika am heutigen Abend vieles anders, mithin besser werden. Das Team wird nicht müde, zu betonen, dass man sich der eigenen Fehler bewusst sei, dass wir „noch nicht zu hundert Prozent zufrieden“ sind, wie Hegering es formulierte. „Wir nutzen das Spiel gegen Südafrika dazu, uns das Selbstvertrauen wiederzuholen und ein bisschen Sicherheit zu tanken.“

Das Vertrauen in die eigene Stärke fehlte sichtlich bis dahin. Torhüterin Almuth Schult berichtete interessanterweise, dass sie wenig Pässe zu ihrer Abwehr gespielt habe, weil es „noch nicht so sein sollte“. Zwischen den Zeilen war zu lesen: Die Defensive war zu unsicher dafür. Einfachheit statt Perfektion sei manchmal gefragt. „Wir werden in das Turnier noch ein bisschen hineinwachsen“, beschrieb es Schult cool.

Zum Hineinwachsen bleibt allerdings nicht mehr allzu viel Zeit. Südafrika ist der letzte Testballon vor der K.-o.-Phase, das Spiel wird helfen, eine zentrale Frage zu beantworten: Wie viel besser werden und, ja, wie viel besser können die Deutschen überhaupt? Das fehlerhafte Spiel gegen China ließ sich der Nervosität anlasten, gegen Spanien zählte das nicht mehr als Entschuldigung. Dort gerieten die Deutschen fast eine Halbzeit lang heftig unter die Räder des Ballbesitzfußballs.

Bei der Abschluss-Pressekonferenz mit Martina Voss-Tecklenburg am Sonntag war von solcherlei Ungemach nicht mehr viel die Rede. Man möchte nach vorne schauen, mit Rückenwind und etwas Wohlfühllaune am Mittelmeer. „Wir machen relativ viel Freizeit“, so die Trainerin. „Das Team hat viel reflektiert. Aber es gibt keinen Grund zur Sorge, dass wir nicht wieder in den Kampfmodus finden.“

Neben Kampfmodus wäre es aber an der Zeit, zu spielerischer Stärke und einer klaren Idee zu finden. Bisher hat das deutsche Team vor allem durch Zufälle, Einsatz und individuelle Klasse gewonnen. Immerhin, die personifizierte individuelle Klasse mit chronischen WM-Schwierigkeiten kommt langsam zurück. Dzsenifer Marozsan trainiert erstmals wieder mit Ball, sei aber noch weit von einem Comeback entfernt. Voss-Tecklenburg deutete vage an, dass sie im nächsten Spiel mit Rotation plane.

„Wir wissen, dass wir es besser können“

Almuth Schult

„Wir wissen, dass wir mehr Potenzial haben“, sagte Almuth Schult am Samstag nachdrücklich. „Wir haben diesen Druck, um auch den Frauenfußball besser zu präsentieren, weil wir wissen, dass wir es besser können.“ Den Frauenfußball besser zu präsentieren, das ist einer dieser Sätze, die in den letzten Jahren immer wieder gefallen sind, wenn es um das deutsche Nationalteam ging, angefangen beim unglücklichen Heimturnier 2011. Warum schon wieder eigentlich will man sich so etwas auflasten? Niemand käme auf die Idee, nach dem Ausscheiden der Löw-Truppe den Schluss zu ziehen, der Männerfußball sei so schlecht wie deren Spiel. Am Anspruch der Grundsätzlichkeit kann das deutsche Team nur scheitern. Wenn es Schult tröstet: Bislang haben weder Titelgewinne noch frühes Scheitern mehr Interesse am Ligaalltag gebracht. Die WM bleibt, ähnlich wie im Handball, ein isoliertes Ereignis, entgegen aller Jubelei der über sechs Millionen am Fernseher. Diese Zahl gab es übrigens im letzten Jahrzehnt in Deutschland bei jedem Frauen-WM-Turnier. Man kann es, wenn man will, als stabilisiertes Interesse an einem Großevent lesen. Schult und Kolleginnen können also ganz beruhigt im Achtelfinale ausscheiden.

Vorher aber geht es noch gegen die konterfreudigen, sonst aber nicht allzu furchteinflößenden Südafrikanerinnen. Das deutsche Team wird gestalten und überraschen müssen. „Wir wollen gut vorbereitet sein für die nächsten Spiele“, sagt Mittelfeldspielerin Linda Dallmann. „Vielleicht ist es wichtig, so einen Gegner mal bespielen zu dürfen.“

Anders gesagt: Die kommenden Gegnerinnen werden nicht so freundlich sein wie die Spanierinnen und gleich die ganze elende Spielmacherei selbst übernehmen.