Nicht verpassen!
: Vorhang offen

„Das literarische Quartett“, 22.15 Uhr, ZDF

Wie das mit einer einmaligen Neuauflage so ist: Es bleibt dann doch nie bei nur einer. So ist es fast schon ein gewöhnliches Geschäftsgebaren, dass sich nach der Schiller-Sonderausgabe des „Literarischen Quartetts“ Ende April die Herren Reich-Ranicki und Karasek sowie Frau Radisch nun schon wieder zusammenfinden, um über Literatur im Fernsehen zu sprechen. Der Anlass dieses Mal: Der 50. Todestag von Thomas Mann vergangene Woche. Eine feine Idee, denn gerade nach der Ausstrahlung des zwar arg seriösen, aber lehrreichen und kurzweiligen Schiller-Quartetts setzte sofort der Phantomschmerz ein. Da gab es doch mal Literatur im Fernsehen, die gleichzeitig Show und literarisches Leben war, die mehr als nur Bücherhochheben oder müde-intellektuelles Buchvorstellen war! Natürlich wird sich Marcel Reich-Ranicki nach dem Mann-Staatsakt von Samstag hüten, entsetzt mit den Armen zu fuchteln: „Tonio Kröger“, seiner Meinung nach eine „Jahrhunderterzählung“, dürfte Reich-Ranicki vor allem andächtig und ehrfürchtig vorstellen und sich in der anschließenden Diskussion nicht in die Parade fahren lassen. Aber gerade Gast Robert Gernhardt (Foto) hat es nicht so mit der Dichterfürstenverehrung, sondern bleibt lieber augenzwinkernd-bodenständig. Auch die hemdsärmelige Wurschtigkeit von Hellmuth Karasek und das sympathisch Überkippende von Iris Radisch werden zu verhindern wissen, dass heute Abend nach Lübeck ein zweiter Staatsakt folgt. Insofern ist gut vorstellbar, dass nach dem Fallen des Vorhangs und den vielen offenen Fragen, nicht nur der Wunsch lauter wird, auch ein drittes und viertes Comeback folgen zu lassen, sondern auch die Neigung bei Reich-Ranicki und den Seinen dazu. An Geburts-und Todestagen berühmter Dichter jedenfalls ist kein Mangel. GERRIT BARTELS