berliner szenen
: Nicht nach Edinburgh fliegen

Als ich aufwache, weiß ich, dass in diesem Moment mein Name über den Lautsprecher am Flughafen Schönefeld aufgerufen wird. Last Call, ich liege im Bett und stelle den Wecker wieder auf Snooze. Vielleicht ist jemand, der mich kennt, am Flughafen, hört meinen Namen und wundert sich. Aber passiert es überhaupt bei Billigflügen, dass Passagiere vermisst und aufgerufen werden? Freut sich die Crew nicht, bei dem Lohn, weniger Arbeit zu haben?

Die Wahrheit ist, dass ich noch nie einen Flug verpasst habe. Die zweite Wahrheit ist, dass ich auch diesmal den Flug nicht verpasste. Weder habe ich verschlafen, noch in der Uhrzeit geirrt. Ich habe mich entschieden, in Berlin zu bleiben. Ich habe mich gegen Edinburgh und für Berlin entschieden. Auch wenn mich viele fragen, was mit mir los sei und ich mich selbst kaum wiedererkenne. Nun, einige Umstände haben dazu beigetragen, dass ich keine Lust zu verreisen habe. Zum Beispiel: Die Freundin, mit der ich mich in Edinburgh treffen wollte, war zuvor zu Besuch in Berlin. Wir hatten wunderschöne Tage, bis sie mit dem Rad gegen ein Gerüst fuhr. Der Arzt in Berlin sagte ihr, zum Glück sei nichts kaputtgegangen, und sie erzählte mir, wie er sie charmant anlächelte, als sie ihm zum Abschied die Hand reichte.

Zwei Tage später wurden in London – ihrer nächsten Station – eine Fraktur und eine Entzündung festgestellt. Sie schreibt mir, dass das Klinikum in der Nähe von Sherlock Holmes’ Haus ist und das Hotelzimmer über eine große Badewanne verfügt. Sie versucht mich per WhatsApp zu überzeugen, trotzdem nach Edinburgh zu gehen – ohne sie. Ich möchte aber nur auf meinem Balkon (mit Radio oder den Diskussionen der Bauarbeiter im Hintergrund) Kaffee trinken, lesen, und wenn es nicht regnet Pflanzen gießen, sonst nichts. Luciana Ferrando