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Alle lieben Oma

In „Mütter“ bringt Alize Zandwijk die Geschichten Alt- und Neubremer Frauen auf die Bühne. Statt traditionelle Frauenrollen zu dekonstruieren, geht es hier erst einmal ums Zuhören

Singende Mütter im Theaterfoyer: Manuela Fischer gibt ein Ständchen Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Von Teresa Wolny

Zwischendurch wimmert leise ein Baby im Backstage-Bereich: Manche der Mütter hier fangen mit diesem Teil des Lebens gerade erst an. 14 Mütter erzählen 14 Biografien: angefangen bei Kindheit, Familie und der großen Frage nach Heimat, über die eigenen Kinder – bis hin zum Sterben. Alize Zandwijks „Mütter“ im Bremer Theater deckt die ganze Bandbreite der großen Momente des Lebens ab. Dabei sind die Frauen auf der Bühne keine professionellen Schauspielerinnen, sondern tatsächlich vor allem Mütter, die aus ihrem Leben erzählen.

Dass alles in einer Küche spielt, trägt zwar nicht dazu bei, traditionelle Geschlechterrollen aufzubrechen, an diesem Abend geht es aber ohnehin um etwas anderes: die Mutter als das alles zusammenhaltende Element der Familie. Ihr Headquarter dabei ist die Küche, auch weil Liebe bekanntlich durch den Magen geht. Essen verbindet traditionell nicht nur Familien, sondern an diesem Abend auch das Publikum mit den Schauspielerinnen.

Im Foyer des großen Hauses am Goetheplatz sitzt das Publikum mitten im Bühnenbild, einer Art Esszimmer. Die Bühne selbst ist, logisch, die Küche und sieht aus, als stünde sie eigentlich irgendwo draußen – wo es warm ist. Dieses Setting von John Thijssen und Liedwien van Kempen ist nicht zum erste Mal im Einsatz. Regisseurin Alize Zandwijk inszenierte „Mütter“ 2007 bereits am Ro-Theater in Rotterdam. Nachdem sie die Inszenierung 2017 in Luzern mit neuer Besetzung wiederholte, feiern 2019 nun die Bremer Mütter Premiere.

„Geschichten von Bremer Frauen aus aller Welt“ lautet der Untertitel. Ob Italien, Sudan, Mexiko oder die Türkei, ob Togo, Syrien, Ukraine, Sachsen, Bremen, Simbabwe, das Elsass oder ein kleines Dorf in Niedersachsen: Beim Thema Kochen muss fast jede zuallererst an die Großmutter denken. Diese hat in vielen Erzählungen einen göttinengleichen Status. Dass Oma sich das Kochen als Lebensaufgabe wohl nur in den seltensten Fällen selbst ausgesucht hat, wird kurz darauf in den Erinnerungen an die eigene Mutter deutlich.

„Meine Mutter war immer da für die Welt, aber weniger für mich“, sagt Valentina Rojas Loa – ihre Mutter war im politischen Widerstand aktiv. Genau da wird es schwierig, denn wollen wir nicht seit über 50 Jahren genau da hin? Raus aus dem Privaten, rein in die politische Partizipation. Im Idealfall natürlich mit unseren auf den Rücken geschnallten Kindern. Dass dafür dann andere, bezahlte Leute stundenlang am Herd stehen, kann nur recht und billig sein.

Die emotionale Wucht dieser Geschichten trifft mit voller Breitseite: Tränen gibt es vor und auf der Bühne

Dass ein Gericht mit den gleichen Zutaten und auf die gleiche Art und Weise zubereitet erst dann wieder so wie bei Oma schmeckt, wenn alle zusammen am Tisch sitzen, ist da eigentlich ganz praktisch. Warum es aber immer Mamas Job ist, die Bande zusammenzutrommeln, bleibt dabei allerdings genauso offen wie die Frage nach den freiwilligen oder unfreiwilligen Nicht-Müttern.

Die Geschichten werden nicht allein in Worten ausgetauscht. Das Spektrum reicht von Tanzeinlagen zu einem Lied, in dem von Diät und zu vielen Süßigkeiten gesungen wird, bis zu detaillierten und offen geschilderten sexuellen Missbrauchserfahrungen. Von Fehlgeburten wird gesprochen und auch Fluchterfahrungen sind Thema. Die Wucht des Lebens schwappt an diesem Abend von der Bühne mit voller Breitseite ins Publikum. Auf beiden Seiten gibt es dabei Tränen.

Schmerzhafte Erinnerungen wechseln sich mit Klamauk und Albernheit ab. Während die Themen Menstruation und Behaarung mit dem klassischen stereotypen Witzerepertoire noch eher beschämtes Lachen hervorrufen, fließen beim Thema Geburt wiederum Lachtränen, unabhängig davon, ob man die dazugehörigen Erklärungen auf Arabisch versteht. Alize Zandwijk holt mit diesem Projekt eine Realität auf die Bühne, die in der öffentlichen Diskussion immer präsenter, selten jedoch so eindrücklich präsentiert wird – ohne moralischen Zeigefinger.

Wieder: 21. und 22. 5., sowie 4., 11., 17 und 24. 6., 19.30 Uhr, Theater Bremen, Foyer

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