wie machen sie das?: Die Hofnärrin
Claudia Borowy, 54, macht Theater in Unternehmen. Als gelernte Theaterwissenschaftlerin und Regisseurin spielt sie mit professionellen Schauspieler*innen Situationen nach, aus denen die Firma etwas lernen soll.
taz am wochenende: Frau Borowy, Sie und Ihr Team spielen Theater in Unternehmen, um dort Konflikte zu lösen und Veränderungsprozesse zu begleiten. Wie machen Sie das?
Claudia Borowy: Wir spiegeln, was Mitarbeitende in ihrem Arbeitsalltag als schmerzhaft empfinden. Das heißt, wir gehen in ein Unternehmen, beobachten Verhaltensweisen und Konfliktsituationen und machen daraus Theater. Spannend wird es, wenn das Publikum selbst Regie führt. Ein Angestellter gibt dann etwa dem Führungskraft-Schauspieler Anweisungen, was er stattdessen sagen und tun könnte, um die Situation zu verbessern.
Woher wissen Sie, welche Szenarien da welche „Schmerzen“ auslösen?
Vorher sind wir ein bis drei Tage teilnehmende Beobachter im Unternehmen. Um ein allumfassendes Bild herauszukriegen, führen wir viele Interviews – quer durch alle Hierarchien. Mitarbeitende wollen als ganzheitlich wahrgenommen werden und denken: „Was ich hier tue, hat Wert, hat Sinn.“ Wenn das nicht passiert, entstehen Schmerzen. Die Leute kündigen innerlich. Das passiert, wenn verschiedene Generationen und Wertesysteme aufeinandertreffen. Aus diesen Beobachtungen entwickeln wir dann Szenen.
Gibt es da ein besonderes Spiel, das Sie anwenden, um die Teilnehmenden in eine lockere Stimmung zu bringen?
Auf Warm-Up-Spielchen verzichten wir komplett. Das Wichtigste ist Humor, Selbstironie.
Wie trainiert man Humor?
Indem wir Perspektiven wechseln und Dinge, die uns im Alltag begegnen, akzeptieren, nicht bewerten. Damit spielen wir weiter.
Was ist der Unterschied zu „normaler“ Unternehmensberatung à la McKinsey?
Die Methoden sind andere. Klassische Unternehmensberatungen kommen eher aus der Strategie, der Zahlenebene. Wir konzentrieren uns auf Verhaltensmuster. Denn das Theater ist eine Laborsituation, ein Spielfeld. Ich kann es modifizieren, kein anderes Trainingsformat kann das so.
Fühlen sich dadurch alle Ebenen gleichermaßen verstanden?
Es fällt sogar positiver für die Mitarbeitenden aus, weil sie sich Gedanken machen, welchen Beitrag sie leisten können. Gleichzeitig verstehen wir uns als Dienstleister, was aber auf keinen Fall heißt, Sklave der Führungsebene zu sein. Wir sind eher Hofnarren und nehmen uns die Freiheit, unbequeme Sachen auszusprechen. Aber bevor ich für bestimmte Botschaften instrumentalisiert werde, lehne ich Projekte auch ab. Interview: Hannah Bernstein
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