Arbeitsagenturen prellen die Miete

Immobilienunternehmen beklagen fehlende Mieten von Hartz-IV-EmpfängerInnen. Die zuständigen Arbeitsagenturen seien mit der Masse der Anträge überfordert, glauben sie. Die weist die Kritik zurück

BOCHUM taz ■ Arbeitslose in NRW können ihre Miete oft nicht zahlen. Dies beklagen die großen Wohnungsvermieter im Land. Der Grund: Mit der Arbeitsmarktreform Hartz IV hat der Staat auch seine Fürsorgepflicht aufgegeben. Früher hat das Sozialamt noch die Miete für die Betroffenen überwiesen, heute sind es die Hartz-IV-Empfänger selbst.

„Wir haben schlechte Erfahrungen mit der neuen Regelung gemacht“, sagt Mareike Lappe von der Bau- und Wohnungsgenossenschaft Lippstadt e.G.. Seitdem die Arbeitslosen die Miete direkt überweisen sollen, komme es vor, dass die Mieter ihr Geld „nicht für die Miete ausgeben“. In solchen Fällen werde sofort die Agentur für Arbeit kontaktiert, die ihnen dann in der Regel auch zusagt, die Miete zukünftig wieder zu überweisen. Doch auch dann passiere oft nichts. „Es wäre vielleicht besser das Ganze – statt am Telefon – zukünftig schriftlich zu klären,“ findet Mareike Lappe. Denn der Fehler liege oft genug auch bei den Arbeitsagenturen selbst.

Das sieht Bernd Hausmann von der Genossenschaft für Siedlungsbau und Wohnen (GSW) Minden ähnlich: „Ich habe den Eindruck, dass die Arbeitsagenturen mit der Masse an Anträgen überfordert sind.“ Die Antragstellung sei oft „ein langfristiger Prozess“. „Bis alle Formalien erledigt sind, befinden wir uns als Vermieter in einer sehr unsicheren Lage“, bemängelt er. Denn Informationen würden nur sehr spärlich fließen.

Die zuständigen Arbeitsagenturen kritisieren hingegen die Wohngenossenschaften. „Ich kann die Vermieterpraxis überhaupt nicht verstehen“, sagt Martin Klein, Beigeordneter im Landkreistag NRW. Schließlich lasse sich eigentlich jeder Vermieter eine Einzugsermächtigung aushändigen, die automatisch dafür sorge, dass die Miete pünktlich überwiesen werde.

Deshalb hat man sich in Bielefeld auch überlegt, gar nicht mehr den Umweg über die Arbeitslosen selbst zu gehen. „Wir kooperieren sehr eng mit den Wohnungsgenossenschaften und überweisen die Mieten direkt an die Vermieter“, sagt Tim Kähler von der Stadt Bielefeld. Durch diesen „engen Dialog“ würden mögliche Probleme verhindert. Das meint auch Norbert Müller, Geschäftsführer der Bielefelder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH (BGW): „Wir haben bereits in den letzten fünf, sechs Jahren einen Mietrückgang verzeichnet.“ Durch die gesamtgesellschaftliche Situation werde es für die Menschen immer schwieriger, Geld für Miete aufzubringen.“ Besonders vor dem Urlaub oder vor Weihnachten würden sich die Betroffenen gerne mal „einen Kredit beim Vermieter“ nehmen.

Dabei sind die Arbeitslosen oft gar nicht Schuld an den Mietrückständen. Laut Annette Eßing vom Arbeitslosenzentrum Dortmund würden „sich die Hilfebedürftigen oft selbst die Hacken abrennen“, um ihre Miete zu bekommen. „Es kommt schon vor, dass die Arbeitsgemeinschaften die Miete nicht vollständig überweisen und die Arbeitslosen den Restbetrag selbst zahlen müssen“, sagt sie. Denn schließlich wolle kein Arbeitsloser auf der Straße sitzen. Zudem würden viele Betroffene erst am Ende des Monats merken, dass „das Geld hinten und vorne nicht reicht.“ UTA BAIER