„Die leere Vitrine kann nicht so bleiben“

Der Raub eines goldenen Vogelnests aus einer Grundschule in Biesdorfist ein Gewaltakt. Ein Gespräch mit dem Künstler Thorsten Goldberg

Interview Brigitte Werneburg

taz: Herr Goldberg, Sie haben im Rahmen von Kunst am Bau einer Biesdorfer Grundschule ein goldenes Vogelnest vermacht. Als es jetzt in einem Raubzug zum Opfer fiel, gab es hämische Kommentare. Können Sie das verstehen?

Thorsten Goldberg: Natürlich nicht, Häme ist niemals angebracht. Aber es gibt eben Unkenntnis darüber, warum Kunst in öffentlichen Einrichtungen und auch sonst so wichtig ist. Es gibt zwar einen Konsens darüber, dass Kunst am Bau stattfinden soll, aber Vermittlung findet in Berlin nicht in dem Maße statt, wie es nötig wäre.

An sich kann es nicht falsch sein, Kindern etwas Kostbares zu übereignen. Was waren Ihre Überlegungen beim Entwurf Ihres Kunstwerks?

Hier wurde nach langen Jahren des Wartens eine neue Grundschule gebaut. Sie ist nicht nur gut ausgestattet, sondern auch gut gestaltet. Und beides ist unbedingter Ausdruck einer Wertschätzung des Bezirks und seiner Kinder. Dem wollte ich Rechnung tragen, indem ich hierfür etwas schaffe, das Wert hat und das als eine solche Vision funktioniert. Dafür muss es tatsächlich als geldwerte Anlage dienen können – für einen Bedarf, der heute noch gar nicht absehbar ist. Mit dem Kunstwerk wurde ja die Erlaubnis geliefert, das Kunstwerk nach einer Zeit von mindestens vierzehn Jahren gegen etwas einzutauschen, das man dann als notwendig erachtet.

Wie waren die Reaktion der Schule und der Schülerinnen, als Ihr Kunstwerk in seiner Vitrine erstrahlte?

Grandios. Die Schule war in der Jury vertreten, kannte das Konzept und wollte das Kunstwerk. Es kommt ja nicht so oft vor, dass ein künstlerisches Konzept gleichermaßen für Kinder funktioniert, ohne sich anzubiedern. Die haben aber den so kompliziert erscheinenden Vertrag zur Zerstörung des goldenen Nests und der Veräußerung des Goldes sofort verstanden: Das goldene Nest, war ihnen klar, das gehört uns, wir dürfen eines Tages gemeinsam darüber entscheiden, ob wir das Nest zerstören und gegen etwas eintauschen. Gleichzeitig war das goldene Nest aus groben Zweigen, wie es in Augenhöhe der Kinder hinter Panzerglas lag, extrem beeindruckend. Gold hat nicht umsonst so eine Anziehungskraft.

Wie reagierten Schule und Schüler*innen auf den Diebstahl?

Ich habe leider erst durch Anrufe der Presse vom Diebstahl erfahren und mich in den darauf folgenden Tagen bemüht, beim Bezirk und bei der Polizei mehr zu dem Vorfall zu erfahren. Das war leider etwas schleppend. Ich denke, dass es schmerzhaft für die Kinder ist, denn es gab eine große Identifikation mit dem Nest. Insofern kann das auch nicht der Endpunkt sein – hier muss noch etwas geschehen, um das Geschehene zu bereinigen. Das betrifft die Erfahrung der Kinder und auch die leere Vitrine. Die kann so nicht bleiben.

Waren Sie sich der Gefährdung des Kunstwerks bewusst?

Für den Bau und die Sicherheit hatten wir verschiedene Fachleute und die Polizei hinzugezogen. Als Reaktion auf den Einbruch im Bode-Museum haben wir zusätzliche elektronische Sicherungen eingebaut. Niemand konnte sich vorstellen, dass der Glastresor geöffnet werden kann, noch rechnete man mit einer solchen Dreistigkeit. Das war eine Machtdemonstration einer Gruppe, die beweisen will, dass sie zu allem in der Lage ist.