Wahlverbrechen # 4 Benno Schirrmeister lässt für die Bürger in Wut mildernde Umstände gelten: Verbrechen trotz Komik
Sicher, auf den ersten Blick handelt es sich nicht um ein Wahlverbrechen, sondern eines gegen die Gesetze des Layouts. Und am Ende ist den Bürgern in Wut hoch anzurechnen, dass sie dank einer klassischen Bild-Text-Schere – also das drastische Auseinanderklaffen der sprachlichen und der visuellen Botschaft – für das einzig wirklich lustige Plakat des Wahlkampfs gesorgt haben, aus Versehen natürlich.
Es sei denn, sie sind von einer dissidenten Agentur in die Pfanne gehauen worden, und zwar gründlich. Denn schauen Sie mal, lesen Sie mal, gegen Ihre Gewohnheit, was die rechtspopulistischen Wutbürger da auf ihrem Plakat als Argument für die Wahl ihres von der AfD geerbten Spitzenkandidaten Hinrich Lührssen formulieren: „Weil er Klartext redet!“, steht da. So und jetzt werfen Sie noch mal einen Blick aufs Bild. Was sehen Sie? Was hat Hinrich Lührssen in Händen?
Richtig: Das ist dieses Dings, das am Filmset der Unterassi vom Kamera-Assi zu Beginn jeder Aufnahme zusammenschlagen muss, damit später beim Schnitt Ton und Bild zusammenpassen, ein Clapperboard, oder auf Deutsch: eine Klappe.
Wie schön! Hinrich Lührssen hält die Klappe – das wäre mal eine gute Idee. Dafür würde es sich lohnen, ihn zu wählen. Bloß ist das Versprechen leider nicht nur inkompatibel mit der Ankündigung, der Schwadroneur würde demnächst Klartext reden, sondern auch genauso unglaubwürdig: Lührssen kann weder die Klappe halten noch Klartext reden, das wissen alle, die schon mal versehentlich in einen jener belanglosen Beiträge gezappt haben, durch die der Typ in seinem früheren Leben als Fernsehjournalist auf Radio Bremen- oder Stern-TV dümpelte.
Es handelt sich also um eine doppelte Werbelüge. Lügen aber sind dazu angetan, das Vertrauen in die Politik zu schädigen und treiben die WählerInnen in die Hände von populistischen Arschlochvereinigungen. Dafür kann’s wegen der Komik mildernde Umstände geben – aber sicher keinen Freispruch.
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