DAMALS IM OLFE
: Das Magenglühen

Irgendwie sind die Gläser immer größer als bestellt

Im ehemaligen Möbelgeschäft steigt eine Premierenparty. Es gibt schöne Männer und Frauen, und unansehnliche Männer und Frauen. Die Schönen tragen Brille. In der Mitte einer Traube steht eine hoch gewachsene Frau mit einem Blumenstrauß in der Hand und lächelt verlegen. Mehrfach wird sie abgelichtet. Dann wird sie von Männern umringt. Sie ist wohl die Regisseurin. Drei Mädchen springen durch den Laden und verschwinden zu dritt auf dem Behindertenklo. Es sind die Mädchen von dem Plakat, das an allen Wänden hängt. Ruhm, Glanz, Gloria.

Irgendwie sind die Gläser immer größer als bestellt, das Licht wird auch schärfer, die Umrisse dafür weicher, und das Beschwören von nackten Oberschenkeln bringt auch keine Landeerlaubnis für die eigene Hand. Aber die Musik tut gut. Und die Zigaretten, die mit diesem streichenden Geräusch daherkommen, dem Aus-der-Schachtel-ziehen, dann drückt eine Hand das Feuer an, und dann knistert es und zieht. Fabian schaut sich um, schaut in die Gesichter, schaut sich die Gestalten an, die eine Abgerissenheit zur Schau tragen, eine Abgerissenheit, die Individualität signalisieren soll. Fabian denkt an die hellblonde deutsche Frau, mit der er einmal hier war, ein Date hatte, Wodka trank, Witze riss, bis sie ihm schließlich eröffnete, dass sie sich nicht in ihn, sondern in eine Frau verliebt hatte. Von dieser Abweisung hatte er sich so schnell nicht erholt. Jedenfalls kann er sich noch gut an die Magenschmerzen erinnern, die ihn danach tagelang geplagt hatten und die auch später immer wiederaufgetaucht waren. Das Magenglühen.

Seinen Sitznachbarn, eine speckige Gestalt mit Backenbart, seinerseits in ein Techtelmechtel mit einem kleinen Mann in einem schmutzigen Flanellhemd verstrickt, unterstützt er jetzt reichlich mit Zigaretten. Dann kippt er den Rest Bier hinunter und zieht von dannen.

RENÉ HAMANN