Schnauze voll

Nordmazedonien widersetzt sich dem Nationalismus. In der ersten Wahl seit der Umbenennung des Landes gewinnt ein klarer Pro-Europäer. Eine herbe Niederlage für Populisten und eine Chance des Landes auf einen EU-Beitritt

* Klingt komplizierter als Brexit, könnte dafür wirklich kommen: der Nomantry, North Macedonia Entry, der Eintritt Nord­mazedoniens in die EU Foto: wikimedia

Von Erich Rathfelder

Europa hat in Nordmazedonien einen Sieg errungen: Mit Stevo Pendarovski hat am Sonntag ein von den regierenden Sozialdemokraten nominierter Politikprofessor die Präsidentschaftswahl gewonnen. Er steht für einen klaren Kurs des Landes in Richtung EU-Beitritt, ebenso wie eine Mitgliedschaft in der Nato. Beides wird für Nordmazedonien jetzt wahrscheinlicher.

Wer hätte das 2016 für möglich gehalten? Damals demonstrierten Zehntausende in Skopje gegen das Regime von Nikola Gruevski, der wie andere Potentaten auf dem Balkan Putin imitieren wollte. Die Presse war fast gleichgeschaltet. Die Gefängnisse füllten sich mit Oppositionellen. Doch 2017 gelang der Umsturz. Nicht nur die zu Sozialdemoraten mutierten Kommunisten waren auf der Straße, auch moderne Bewegungen, die Frauen, die Schwulen und Lesben, ethnische Minderheiten schlossen sich an, ebenso die Roma in Skopje zeigten ihre Flagge. Auch Albaner kamen, nicht nur die in Parteien organisierten, sondern einfach Leute, die die Schnauze vom Nationalismus voll hatten. Die Regenbogenbewegung schob den Sozialisten Zoran Zaev an die Spitze, er war Inspirator, Organisator und Ausdruck der Bewegung.

Mit ihm und der Unterstützung durch manche westliche Botschaften gelang es der Opposition, das Regime zu stürzen und dem Land wieder eine europäische Perspektive zu geben. Die hatte das Land schon einmal 2006. Mazedonien war nahe dran, Beitrittsverhandlungen zu führen. Doch dann kam das Veto aus Athen. Die griechische Rechte monierte den Namen des Landes, die mazedonische Rechte bekam Aufwind. Beide Seiten schaukelten sich hoch.

Doch das ist jetzt Vergangenheit. Zaev hat gleich zu Anfang seiner Amtszeit versprochen, den Konflikt mit Griechenland zu lösen. Mit Alexis Tsipras fand er einen Ansprechpartner auf der anderen Seite. Beide im politischen Spektrum weit links stehenden Politiker handelten nicht nur einen Kompromiss aus, ihnen gelang es sogar, mit Volksabstimmungen den Rechten die Meinungshoheit zu entziehen und schließlich den Namensstreit zu beenden, das Land nannte sich in Nordmazedonien um.

Jetzt sind sich alle Beobachter bis hinein in die Spitzen der EU einig, dass Zaev gemeinsam mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras eine historische Leistung vollbracht hat: Eine beispielhafte Versöhnung zwischen den slawischen Mazedoniern und Griechen, gegen alle Widerstände aus den nationalistischen Lagern beider Seiten. Der demokratische Prozess ist in Nordmazedonien auch wegen der Einsetzung einer unabhängigen Staatsanwaltschaft in Gang gekommen. Es wird mit einer Justizreform Ernst gemacht. Viele korrupte Persönlichkeiten spürten das am eigenen Leib. Ex-Regierungschef Nikola Gruevski floh in Begleitung ungarischer Geheimdienstleute unter abenteuerlichen Umständen aus dem Land.

Putins Allianz mit Nationalisten ist auf dem südlichen Balkan an linken Regierungen gescheitert

Mit dem Wahlsieg von Stevo Pendarovski mit fast 52 Prozent der Stimmen gelang ein weiterer Erfolg. Zwar zeigt die Wahlbeteiligung von knapp 46 Prozent, dass die Mehrheit der Bevölkerung noch zögert. Eine tragfähige Stabilität wird Zaev erst erreichen können, wenn er seine Versprechungen in Bezug auf die Integration des Landes in die Nato und die EU wahrmachen kann.

Wie die Widerstände in der EU gegen die Integration weiterer Länder nach den Europawahlen aussehen werden, ist noch nicht abzusehen. Klar ist aber, dass auch die wirtschaftliche Entwicklung in Nordmazedonien erfolgversprechend ist. Die Option Integration in die Nato ist für Zaev wohl einfacher durchzusetzen.

Putins Schulterschluss mit Nationalisten und Rechtsradikalen auf dem südlichen Balkan ist an den beiden linken Regierungen in Mazedonien und Griechenland gescheitert. Das weiß die Nato. Und auch die Politik der Populisten in Europa hat einen Dämpfer bekommen. All das müsste auch die konservativen Parteien in der EU davon überzeugen, dass die Linken im Südosten des Kontinents gute Europäer sind.