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Kann man auch anders machen

Häuser und Fahrzeuge, die so entstehen wie Wikipedia? Silke Helfrich und David Bollier wollen die bessere Welt von morgen denken

Silke Helfrich/David Bollier: „Frei, fair und lebendig. Die Macht der Commons“. Transcript, Bielefeld 2019, 400 Seiten, 19,99 Euro

Von Annett Jensen

Dieses Buch hat Gewicht. Silke Helfrich und David Bollier zeigen erstmals praktisch und theoretisch, dass längst eine kraftvolle Alternative zum Kapitalismus existiert. Allerdings befinden sich die Commons im toten Winkel der Wahrnehmung: Es gibt dafür noch keine Sprache.

Auch Gesetze, Institutionen, Infrastrukturen und Politik sind geprägt vom Menschenbild des freien Individuums. Der Staat hat vor allem die Aufgabe, gute Bedingungen für den freien Markt zu schaffen und das daraus resultierende Eigentum zu schützen.

Das Buch „Frei, fair und lebendig – die Macht der Commons“ belegt, dass es weltweit viele Beispiele gibt, dass Wirtschaft ganz anders funktionieren kann: Orientiert am Bedarf der Beteiligten werden Wohnhäuser und Software, Lebens- und Transportmittel, Prothesen und Maschinen produziert, gemeinsam Supermärkte und Bauernhöfe betrieben. Eine Blaupause für diese Projekte kann es nicht geben, weil sie geprägt sind durch die Möglichkeiten vor Ort und die Beteiligten. Aber es gibt Muster – und die beschreibt das Autorenduo.

Damit entwickeln sie die Theorie der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom entscheidend weiter. Sie zeigen, dass das Wesen von Commons nicht in den Gütern oder hergestellten Produkten liegt, sondern in den Bezügen der Menschen untereinander und zur Umwelt. Weil es nicht um Geldvermehrung geht, sondern darum, mit den vorhandenen Ressourcen die Bedürfnisse möglichst gut zu befriedigen, sind freie Software und das großzügige Weitergeben von Wissen vorteilhaft: So können es viele weiterentwickeln – zum Vorteil aller.

Bei begrenzten Ressourcen kommt es dagegen auf Fairness an: „Aufteilen ohne Beitragen in einem Commons ist wie Einkaufen ohne Geld im Kapitalismus: Es funktioniert nicht.“

Helfrich und Bollier entwickeln nicht nur Vorschläge für eine commonsgerechte Sprache mit neuen Wörtern wie „gemeinschaffen“ oder „do-it-together“. Sie machen auch Vorschläge für commons-förderliche Gesetze, Institutionen und Infrastrukturen. Der umfassende Ansatz des Buches hat das Potenzial, zu einem Meilenstein für die Transformation zu werden.

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