: Zukunft im All
Alt werden ist schrecklich. Davon erzählt der junge Theatermacher Sashko Brama in „Fall on Pluto“, gesehen beim Stückemarkt des Theatertreffens
Von Katrin Bettina Müller
Der Stückemarkt auf dem Theatertreffen war lange Jahre eine Plattform für den deutschsprachigen Dramatiker-Nachwuchs. Als in den Nullerjahren der Raum der Bewerbung auf Europa ausgedehnt wurde, ging es noch immer um Texte, mit denen sich Autoren bewerben, die dann in deutscher Übersetzung in einer szenischen Lesung vorgestellt wurden. Es war ein kleiner Wettbewerb, dem Gewinner wurde eine Uraufführung zugesagt.
Doch inzwischen haben die von einer Jury ausgesuchten Stücktexte und schon aufgeführte Performance-Projekte einen so weit gefassten Rahmen, dass nach Kriterien einer Bewertung und Vergleichbarkeit zu suchen, keinen Sinn mehr macht. So gleicht der Besuch des Stückemarkts eher dem Griff in eine Wundertüte.
Am letzten Dienstag wurden „Die Burg der Assassinen“ von Amir Gudarzi, ein deutschsprachiger Text in szenischer Lesung vorgestellt, und „Fall on Pluto“, eine Performance von Sashko Brama in ukrainischer Sprache, mit englischen Übertiteln in einem Tempo, das zu lesen selbst Muttersprachler überforderte. Formal war diese Präsentation unbefriedigend, auch wenn die Performance inhaltlich und ästhetisch interessant schien.
In „Fall on Pluto“ hört man die Stimmen alter Menschen, die einsam und krank am Leben nicht viel Freude haben. Sashko Brama und sein Ensemble haben sie in einem Altenheim von Lwiw in der Ukraine aufgenommen, über ein Jahr besuchten und sprachen sie mit den Bewohnern. Puppen leihen den Sprechenden einen Körper, bleich und zerfleddert, sie sitzen im Rollstuhl, gehen am Stock oder können nur noch kriechen. Sie sind in der Fiktion des Stücks auf dem Planeten Pluto ausgesetzt. Wie es dazu kam, ist nicht Teil der Erzählung, aber die Vorstellung der endgültigen Ausgrenzung und Abschiebung spricht für die Erfahrung einer erkalteten Gesellschaft, die keine Solidarität und kein Mitgefühl mehr kennt.
Zwischendurch hört man Sashko Brama mit einem Radiomoderator, ob real oder fiktiv spielt keine Rolle, was denn solch ein Stück bitte soll, wer das sehen will, macht doch nur depressiv. Der Autor erzählt, dass er jede Performance verfolge, manchmal weinen Leute im Publikum, und ja, das lässt sich bestätigen, als die Erinnerungen der alten Menschen bitterer werden, ihre Einsamkeit immer fühlbarer, drückt die Angst vor Altern und Tod auch mir gewaltig aufs Gemüt.
Die Puppen und ihre Spieler sind sich ab irgendwann auch nicht mehr einig, die Spieler werfen die Hüllen der traurig Verschwindenden, Vergessenden und Vergessenen schließlich von sich und versuchen sich in einem fröhlichen Tanz. Aber sie können nicht abschütteln, was sie gerade nah an sich herangelassen haben.
Dieses Gastspiel war beeindruckend und bedrückend, wenn im Stückemarkt vielleicht auch am falschen Ort. Bedrückend war auch „Die Burg der Assassinen“ von Amir Gudarzi. Der Autor hat eine starke Sprache, Druck macht vor allem ein Chor, der Anweisungen gibt, wie Europa sich darstellen soll denen gegenüber, die ferngehalten werden sollen. Sein Text verbindet die Erfahrungen einer Flucht von den östlichen Rändern Europas in die Mitte des Kontinents mit Exkursen in mythische Landschaften und Kriege. Selbst ein Berg spricht, das gehört zu den verblüffendsten Textpassagen.
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