Wegweiser Zizou

Zinedine Zidane kehrt gegen die Elfenbeinküste in die Nationalmannschaft zurück – und mit ihm die Hoffnung

MONTPELLIER taz ■ Schöner hätte sich Fußballfrankreich diese Sommernacht nicht erträumen können. Es passte einfach alles. Bevor der Retter seine Wiederkehr bekannt gegeben hatte, war das Länderspiel gegen die Elfenbeinküste nach Montpellier verlegt worden, im großen Stadion von Paris fürchtete der Verband leere Ränge. Im Süden sind die Franzosen feurig und begeisterungsfähig wie Spanier, kein Vergleich zu den blasierten Hauptstädtern. Nach der frohen Botschaft vom Comeback des Jahres waren die 32.500 Tickets natürlich noch schneller vergriffen gewesen. Viele kamen am Mittwoch aus seiner Geburtsstadt Marseille im Trikot von Olympique, etliche hatten zu seinen Ehren Transparente dabei; und alle verwandelten das Stadion in eine Stierkampfarena, jedes Mal, wenn die heilige Kuh gegen den Ball trat. „Olé, olé“, skandierten die Menschen, wenn Zinedine Zidane seine Pirouetten drehte, und als der Kapitän die Kugel in der zweiten Halbzeit nach einer Ecke volley mit links in die Maschen zirkelte, war die Menge endgültig aus dem Häuschen. Dass davor und danach Gallas und Henry an ihrem 28. Geburtstag trafen, rundete den Abend ab.

Das 3:0 (1:0) ist der höchste Erfolg der französischen Nationalmannschaft seit über einem Jahr, und die Elfenbeinküste stellt immerhin Experten zufolge die derzeit stärkste Auswahl Afrikas. Seine Qualifikationsgruppe führt das Team um Stürmerstar Didier Drogba vor Kamerun an und ist der Weltmeisterschaft damit ein gutes Stück näher als Frankreich. Nur Vierter sind les bleus, die Blauen, in ihrer Staffel, wohl allein vier Siege können sie noch retten. Die zu Hause gegen die Faröer Inseln und Zypern gelten als sicher, doch in Irland und in der Schweiz dürfte es weit komplizierter werden. Aber mit ihm wird es gelingen, ganz sicher. „Zizou, weise uns den Weg zur WM!“, stand auf einem der Spruchbänder, und nach diesem Abend schöpft das Land wieder Mut. „Das Licht ist zurückgekehrt“, jubelt die Sportzeitung L’Equipe. Wer würde es da noch wagen, das Comeback zu kritisieren?

Die Stimme des Bruders habe ihn ihm Schlaf dazu gedrängt, erklärte der Altmeister von Real Madrid neulich. Man kann den Sinneswandel aber auch profaner analysieren: Der 33-Jährige will nach einer Schwächephase zeigen, dass er es noch drauf hat, und eine brillante Saison hinlegen, schließlich ist es womöglich seine letzte. Und was wäre ein krönenderer Abschluss als eine starke WM im Nachbarland? So stößt der Regisseur, nachdem er sich ein Jahr mit unangenehmen Trips nach Torhavn oder Nikosia geschenkt hat, auf der Zielgeraden wieder dazu. Eine feine Sache. Wenn es gut geht. Und wenn nicht? Daran glaubt jetzt niemand mehr in Frankreich, das Land liegt seinem Zizou zu Füßen wie eh und je.

„Vorher steckten wir in einer Atmosphäre von totalem Pessimismus“, sagt Raymond Domenech, „jetzt hat man den Eindruck, wir sind schon Weltmeister.“ Der Trainer hat die Rückholaktion angezettelt und auch die Defensivkräfte Thuram und Makelele reaktiviert. Dass er seine Aufbauarbeit eines Jahres durch die Wiederverwendung der Mittdreißiger selbst ad absurdum führt und einigen Talenten vor den Kopf stößt, ficht ihn nicht an: „Meine Aufgabe ist es, die bestmögliche Elf zu formen. Alles muss jetzt der erfolgreichen Qualifikation untergeordnet werden.“ Und mithin dem Erhalt seines Arbeitsplatzes, denn einem Scheitern würde natürlich der Rauswurf folgen. Der Zweck heiligt die Mittel, und gerade für das Kräftemessen in knapp drei Wochen in Dublin kommt die Extraportion Erfahrung, Klasse und Wettkampfhärte recht. Schon diesmal war zu sehen, wie ein zuvor zerbrechliches Gefüge an Stabilität gewinnt.

Die Mannschaft freilich ähnelt schon wieder gefährlich der, die vergangenen Sommer in Portugal maßlos enttäuschte. Nur zwei in der Startelf waren bei der EM nicht dabei, und hätte sich Patrick Vieira beim Warmlaufen nicht verletzt, wäre es ein Einziger gewesen. Doch ob man mit diesem Kader die WM gewinnen kann und was langfristig aus dem Ensemble wird, ist derzeit nicht das Thema. Erst mal ist dabei sein alles, und daran glaubt die Grande Nation wieder nach diesem wahr gewordenen Sommernachtstraum von Montpellier. RALF ITZEL