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Alles eine Frage der Lage: Marie & The redCat spielen regelmäßig im Gorki Theaterm, und die Lokalhelden von Triband verabschieden sich

Manchmal treibt die Geografie schon seltsame Blüten. Als Antú Romero Nunes am Maxim-Gorki-Theater „Zeit zu lieben, Zeit zu sterben“ inszenierte, ein Stück, in dem Fritz Kater, das Autoren-Alter-Ego des im Sauerland geborenen aber in Ostberlin aufgewachsene Armin Petras, seine Jugend in der DDR verarbeitete, engagierte der in Schwaben aufgewachsene Sohn einer chilenischen Mutter und eines portugiesischen Vaters, für die musikalische Untermalung des Abends eine Band aus: Mannheim.

Die Inszenierung kam nicht überall gut weg, aber Marie & the redCat fanden mehr oder weniger lobende Erwähnung. Mit ihrer Hilfe hätte Nunes das Stück erfolgreich in eine „Pop-Ballade“ verwandelt, fand eine Kritikerin, und ungefähr so vage klingt auch die Musik der Band auf ihrem Debütalbum. „Home“ ist Pop, sicherlich, aber Pop ist eben sehr viel. In diesem Fall vor allem ziemlich folkig, ein bisschen jazzig, eher halbakustisch und extrem eingängig. Das Quintett um Sängerin Lisa Marie Neumann, das immer noch regelmäßig auf der Bühne des Gorki Theaters steht, kopiert im besten Sinne des Wortes ein Erfolgsmodell, mit dem Norah Jones, Katie Melua oder KT Tunstall zu Stars geworden sind.

Das Klangbild stützt sich brav auf die klassischen Bandinstrumente von Klavier über Schlagzeug bis Gitarre, denn im Vordergrund steht das musikalische Handwerk, das in von Castingshows verseuchten Zeiten einem gutbürgerlichen Publikum authentisch-künstlerischen Ausdruck verspricht. Davon sollen auch die Texte nicht ablenken: Die sind in Englisch, handeln vorzugsweise von Liebe und ergehen sich regelmäßig in Naturmetaphern. Aber: Das muss man auch erstmal so selbstverständlich und souverän hinkriegen. Und Marie & The redCat kriegen das mit einer solchen Leichtigkeit hin, dass einem die Klischees plötzlich gar nicht mehr so klischiert vorkommen.

Und das ist gut so, denn sollten Marie & The redCat in Berlin bleiben wollen, könnten sie gleich den Platz von Triband einnehmen. Denn das Trio hat sich nach acht Jahren aufgelöst und hat zum Abschied ihr letztes Konzert aufgenommen und herausgebracht. Auf „Where Did All The Love Go?“ ist jetzt noch einmal nachzuhören, dass Sängerin Sandie Wollasch, Keyboarder und Trompeter Sebastian Studnitzky und Schlagzeuger Tommy Baldu genau jenen mittlerweile mainsttreamtauglichen Sound, der den Vocal Jazz vor allem als Popmusik versteht, bereits vor seiner kommerzgroßen Zeit entwickelt hatten.

Gebracht hat ihnen das allerdings nur einen gesunden Status als Berliner Lokalhelden, weil Triband ihre Jazz-Wurzeln nie verleugnen wollten und weiterhin das eine oder andere, scheinbar ziellos dahintreibende Solo spielten. Immer noch ächzt die Trompete wie eine romantische Raucherlunge, rührt der Schlagzeugbesen cool wie ein Cocktail-Schirmchen und Wollasch säuselt so lange, bis einem das Herz aufgeht. Eigentlich schleierhaft, warum Triband niemals die New Yorker Clubs eroberten. Aber auch das ist wohl eine Frage der Geografie. THOMAS WINKLER

■ Marie & The redCat: „Home“ (ZeitART/New Music Distribution), live am 21. 9., Studio des Maxim Gorki Theater ■ Triband: „Where Did All The Love Go?“ (Contemplate Music/Edel)

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