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Alles andere als ein Kinderspiel

Die Bundespolizei wirbt zunehmend mit reißerischen Werbefilmen um Nachwuchs. Die Linkspartei kritisiert verzerrte Darstellung

Während der Vater bei der GSG 9 arbeitet, spielt der Sohn mit dem Polizeihubschrauber. Bilder aus Werbevideos der Bundespolizei Screenshots: Bundespolizei/youtube

Von Daniel Godeck

Der Film beginnt völlig harmlos. Zu sehen ist ein kleiner Junge, der mit einem Polizeihubschrauber spielt. Aus dem Off sagt eine Stimme pathetisch: „Von klein auf ist Vertrauen unser höchstes Gut.“ Bis zu dem Moment wirkt es wie einer dieser öden Wahlwerbespots der Parteien. Doch kurz darauf nimmt das Video rasant Fahrt auf. Die Musik klingt dramatischer, Hubschrauber kreisen und Polizisten mit Maschinengewehr stürmen ein Containerschiff. „Hände hoch“, ruft einer aus der Truppe, als sie in die Bordküche einfallen. Keine Spur mehr vom Idyll am Anfang.

„Mit einer realistischen Schilderung des Dienstalltags hat das nichts zu tun“

Ulla Jelpke, Die Linke

Es sind Clips wie dieser über die Spezialeinheit GSG 9, mit denen die Bundespolizei im Netz verstärkt für ihre Arbeit wirbt. Während im Jahr 2014 lediglich ein derartiger Film produziert wurde, sind allein seit 2017 neun Clips erschienen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelkpe hervor. Sie liegt der taz vor. Danach hat die Bundespolizei bislang elf Filme produziert, was sie sich nach eigenen Angaben rund 321.000 Euro kosten ließ.

Dabei geht es in den meist nur wenige Minuten langen Spots, in denen Polizisten etwa beim Schießtraining gezeigt werden, nicht nur um Imagepflege. Vielmehr sollen durch die mitunter reißerischen Videos junge Menschen für den Beruf als BundespolizistIn gewonnen werden. Denn ähnlich wie die Bundeswehr und andere Polizeistellen hat auch jene Behörde, die bis zu ihrer Umbenennung Bundesgrenzschutz hieß, Schwierigkeiten, junge BewerberInnen zu rekrutieren.

Der Polizei auf Bundesebene fehlen BewerberInnen für Tausende Stellen. Und das in Zeiten, in der durch Bedrohungen wie Terrorismus die Anforderungen an die innere Sicherheit stetig zunehmen. Eine Entwicklung, auf die bereits in den vergangenen Jahren mit der Schaffung Tausender zusätzlicher Stellen reagiert wurde. Auch in den kommenden Jahren soll ausgebaut werden, bis 2021 will die Große Koalition die Bundespolizei um 7.500 Stellen aufstocken.

Ob die Videos mit Maschinengewehr und sportlichem Drill hierbei helfen und mehr junge Leute für den Bundespolizeijob begeistern? Das Innenministerium hofft es zwar, hat aber keine Zahlen. „Eine statistische Erhebung zur Bewerbung wird nicht durchgeführt“, schreibt es. Verwiesen wird nur darauf, dass der erfolgreichste Film, jener über die GSG 9, mehr als 1,5 Millionen Mal bei YouTube, Facebook und Co angesehen wurde.

Ulla Jelpke von der Linkspartei sieht den Nutzen dieser Videos mehr als kritisch. „Ob die Botschaft wirklich bei der Zielgruppe ankommt, wissen wir nicht.“ Sie hält die Videos daher für überflüssig. Es werde Geld aus dem Fenster geworfen – „ganz nach dem Motto: Hauptsache, wir haben irgendetwas gemacht“, so Jelpke. Dabei stößt sich die Linken-Abgeordnete mehr an dem ihrer Meinung nach verzerrten Bild, das schwerbewaffnete Einsatzkräfte vermittelten. „Mit einer realistischen Schilderung des Dienstalltags hat das nichts zu tun“, sagt sie. So kämen „unverhältnismäßiger Gewalteinsatz zum Beispiel bei Demonstrationen“ und Racial Profiling, also die Personenkontrolle nach Hautfarbe, nicht vor – die aber sehr wohl an der Tagesordnung seien.

Die Bundespolizei ist nicht die einzige Truppe, die wegen Nachwuchswerbung im Netz in der Kritik steht. Die Bundeswehr bemüht sich etwa mit der eigenproduzierten YouTube-Serie „Die Rekruten“, attraktiver zu wirken und so junge BewerberInnen anzuziehen.

Auch am Ende des GSG9-Clips übrigens ist vom spielenden Kind nichts mehr übrig. Dafür werden Schießübungen und Einsatzkräfte in völliger Kampfmontur gezeigt. Wie im Actionfilm. Dazu die Ansage: „Wir sind Sicherheit.“

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