: Warten auf die Hochzeit
Wer heiraten will, braucht einen Termin beim Standesamt. Den zu bekommen ist aber nicht so leicht
Von Marina Mai
Heiraten kann in Berlin ein hochpolitisches Thema sein. So politisch, dass sich heiratswillige Berliner auch mal an ihre Bezirksverordneten wenden müssen. Dann nämlich, wenn man trotz intensiver Bemühungen über Monate keinen Termin beim bezirklichen Standesamt bekommt. Es hakt bereits bei dem Hochzeitsvorbereitungstermin beim Amt, der für jede Eheschließung obligatorisch ist.
So erging es taz-Leser Werner K.: Seit Januar bemüht er sich eigenen Angaben zufolge um so einen Termin. Zuerst hieß es, das sei aus Personalmangel beim Standesamt nicht möglich. Dann wurde das zuständige Standesamt in Lichtenberg auf die Vermittlung begehrter Termine im Internet umgestellt, und das schien laut K. nicht zu klappen. Erst als er sich an mehrere Bezirksamtsmitglieder und Verordnete wandte, bekam er einen Termin.
Und K. ist kein Einzelfall. Auch Der Tagesspiegel berichtete im Januar über einen Fall aus Mitte, wo sich ebenfalls die Bezirksverordnetenversammlung mit dem Fall eines heiratswilligen Berliners beschäftigen musste. Die CDU befasste sich im vergangenem Jahr mit einem vergleichbaren Fall in Pankow.
Die zuständige Stadträtin Katrin Framke (parteilos, für Die Linke) in Lichtenberg begründet die Schwierigkeiten gegenüber der taz mit der schlechten Personalausstattung von Standesämtern – einem berlinweitem Problem, nachdem über Jahre Personal in den Bezirken abgebaut wurde und die Stadt nun wieder wächst. In Lichtenberg führten krankheitsbedingte Personalausfälle zu zusätzlichen Problemen, sodass das Standesamt nach Framkes Worten viele Wochen „nur eine eingeschränkte Sprechstunde durchführen“ konnte. Da zwei neue Standesbeamtinnen in Kürze ihre Ausbildung beenden, zeigt sich Framke zuversichtlich und rechnet mit „einer spürbaren Verbesserung“ der Situation in absehbarer Zeit.
Standesbeamtinnen und -beamte sind sehr begehrt. Für den Beruf muss man ein Verwaltungsstudium und anschließend eine mindestens sechsmonatige praktische Ausbildung vor Ort absolvieren. Obwohl der Beruf durchaus seine angenehmen Seiten hat – immerhin führt man Eheschließungen durch und beurkundet Geburten und Sterbefälle –, mangelt es an Bewerbern. Berlin hat darum Pensionäre wieder für die Arbeit reaktiviert und kümmert sich seit 2017 um die Ausbildung neuer Kräfte. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der CDU hervor. Außerdem hat die Landesregierung den Angaben zufolge 2018 eine Organisationsuntersuchung bei allen Berliner Standesämtern vorgenommen mit dem Ziel, die Arbeitsabläufe berlinweit zu vereinfachen.
Der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz, der die Frage gestellt hatte, sagt der taz: „Gerade Wähler, die eigentlich wenig Kontakt mit der Verwaltung haben, sind frustriert, wenn bei ihren unvermeidlichen Kontakten mit einer Behörde wie bei Eheschließungen und Geburtsanmeldungen die Verwaltung nicht funktioniert.“
Noch gravierender als Heiratswillige sind von der Personalnot der Standesämter allerdings Menschen betroffen, die eine Geburt oder einen Sterbefall registrieren lassen wollen. Solche Fälle werden in allen Berliner Standesämtern prioritär bearbeitet. Ohne Geburtsurkunde gibt es schließlich kein Kinder- und Elterngeld, keine Sozialleistungen für das Neugeborene sowie im Fall der Binationalität der Kinder auch nicht den Aufenthaltstitel, auf den der nichtdeutsche Partner mit der Geburt des Kindes Anspruch hat. Die Sterbeurkunde ist für die Beantragung von Witwenrenten und Erbschaften, für die Kündigung von Mietverträgen und Versicherungen erforderlich.
Stadträtin Katrin Framke aus Lichtenberg spricht bei Geburts- und Sterbeurkunden von einer Wartezeit um die zwei Wochen, vorausgesetzt, es liegen alle benötigten Dokumente vor. Sozialarbeiter im Flüchtlingsbereich kennen in verschiedenen Bezirken Fälle von deutlich längeren Wartezeiten, um eine Geburtsurkunde zu erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen