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Ein tiefer Bariton, der blinkend ins Helle kippt

Aufgefrischt: Graeme Jefferies kommt mit seiner Band The Cakekitchen nach Deutschland auf Tour

Oftmals harsche Gitarren: Graeme Jefferies Foto: Kitty Glitter

Von Gregor Kessler

Geht es um Logistik, macht Graeme Jefferies niemand was vor. Der Neuseeländer näht Dutzende Alben seiner Band Cakekitchen in einen Mantel, um den Zoll zu überlisten. Regelmäßige Umzüge zwischen Ländern und Kontinenten erleichtert er mit einer Hausstand-Obergrenze von zwei Paletten. Und als er vor Kurzem von Auckland nach Berlin flog, trug er zwei Pullover über drei T-Shirts unter zwei Jacken, damit neben der Gitarre auch das E-Piano noch in die strategisch austarierten Koffer passte. Der größte Teil seines Gepäcks aber fiel gar nicht ins Gewicht: Für seine erste Deutschland-Tour seit knapp zehn Jahren bringt Jefferies ein Repertoire von weit über 100 Songs mit – und damit ein wichtiges Stück neuseeländischer Musikgeschichte.

Fragt man die richtigen Leute, entzündet der Name Graeme Jefferies messianisches Strahlen. Nocturnal Projections, seine erste Band, bringt Anfang der Achtziger den Post-Punk nach Neuseeland: ein Sound voll düsterer, scharfkantiger Gitarren. Nickt Richtung Joy Division, hat aber mehr im Sinn. Das zeigt auch die nächste Station: This Kind of Punishment. Weniger eine Band als das manische Aufnahme-Duo der Brüder ­Graeme und Peter Jefferies. Über Monate untersuchen sie eine analoge Bandmaschine, erforschen Mikrofonpositionen und Raumklang. Sie vermessen die Stille zwischen den Noten, versuchen sich an Cello und Klavier – und nehmen dabei ein paar der fragilsten, schönsten Alben Neuseelands auf. Mehr This Heat als Folk-Rock.

Der Klang des abgeschiedenen Landes mischt seit dem Start des stilprägenden Indielabels Flying Nun Labels 1981 Velvet Underground mit den Byrds in unterschiedlichen Portionierungen. Heraus kommen dabei famose Bands wie The Clean und die Chills – aber eben auch so etwas wie The Cakekitchen. Unter diesem Namen nimmt Graeme Jefferies seit Ende der Achtziger auf, Werke, die seither auf unabhängigen Labels in aller Welt erscheinen. In wechselnder Konstellation, zu der auch mal Musiker von The Notwist gehören, lässt er die Band von London über Paris bis nach Oberbayern umsiedeln und trägt dabei Stücke vor, die bezaubernd düster sind. Sein tiefer Bariton, der oft blinkend ins Helle kippt, setzt den Klang, doch darüber passiert allerlei: Streicherarrangements, Klavierläufe, Field-Recordings – und oftmals harsche Gitarren.

Zuletzt veröffentlichte Jefferies seine Autobiografie und berichtet von den Tiefen (als Straßenmusiker in Londoner U-Bahn-Stationen fürs Abendessen spielen), aber auch Höhen (den Titelsong zu Leander Haußmanns „Sonnenallee“ komponieren und die Hörerschaft um zwei Millionen Kinobesucher verbreitern) einer doch eher untergründigen Musikerlaufbahn.

Über die Jahre und Bands haben sich dabei etliche Songs angesammelt. Dieses breite Repertoire haben Jefferies und sein alter Bandgenosse Brett Jones in den letzten Wochen in einem Berliner Proberaum aufgefrischt. Wenn sie es nun zu zweit wieder auf deutsche Bühnen bringen, wechseln sie zwischen Gitarre und Bass, Schlagzeug und Klavier, je nachdem welche Seite ihres Liederbuchs sie gerade aufschlagen. Ihnen dabei zuzuhören könnte ein Highlight des Frühlings werden.

Graeme Jefferies: „Time Flowing Backwards. A Memoir“, Mosaic Press, Oakville, 260 Seiten, ca. 26 Euro

Live: 8. 4. Mannheim, 9. 4. Nürnberg, 10. 4. Augsburg, 12. 4. Oberhausen, 13. 4. Hamburg,14. 4. Hamburg, wird fortgesetzt

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