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Wir gehören alle zu einem Teppich

Junge KünstlerInnen aus Syrien, Afghanistan und Libyen stellen sich im Bikini-Haus vor: „A Journey of Belonging (Part II)“

Von Mira Nagel

Die Mall als idealer Ort für eine Kunstgalerie? In der Tat, findet Bettina Pabst, Geschäftsführerin der Contemporary Arts Alliance Berlin (CAA), einer Plattform zur Förderung zeitgenössischer Kunst in Berlin. Die Berührungsängste seien niedrig, „schnell wird mal reingeschaut“, man tausche sich aus. So auch das Ziel bei der Ausstellung „A Journey of Belonging (Part II)“, die das CAA organisiert. Im ersten Stock des Bikini-Kaufhauses zeigen zwölf junge KünstlerInnen Arbeiten, die sich mit Fragen von Zugehörigkeit auseinandersetzen. In Part I der „Journey of Belonging“ waren Migrationsbewegungen Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung.

Hinter einer Glasfront, abseits vom Trubel der Mall, arbeiteten die KünstlerInnen seit Anfang März an ihren Projekten, unterstützt von Kuratorin Isabel Holert. Räumlichkeit und Materialien wurden vom CAA bereitgestellt. Den KünstlerInnen, die ihre Ausbildung größtenteils in Syrien, Afghanistan und Libyen absolvierten, soll damit die Möglichkeit gegeben werden, mit der hiesigen Kunstszene in Kontakt zu kommen, zu netzwerken. Vorbei an den farbenfrohen Produkten der Fair Trade Marke Abury, die die Ausstellung mit einem Pop-up-Store begleitet, fallen einem beim Betreten der Ausstellung bald die Textilarbeiten von Rula Ali ins Auge.

Grenzen auf dem Kleid

An der Decke hängen lange, schmal geschnittene Kleider auf Holzbügeln von der Decke. Bedruckt sind die Leinenstoffe mit abstrakten Mustern – schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man einzelne Umrisse von Landkarten. Das auseinanderdriftende Europa, zum Beispiel. Daneben, separiert, Kartenfragmente des Mittleren Ostens. Den territorialen, politischen und gesellschaftlichen Trennungen zum Trotz beschäftigt sich Ali mit dem verbindenden Moment. „Wir gehören alle zu einem Teppich“, betont die Künstlerin. Sie beauftragte unterschiedliche Menschen damit, Stempel mit Kartenfragmenten und Motiven anzufertigen, die sie persönlich bewegen.

Hinter einer der Palisaden, die den Raum in unterschiedliche kleinere Ateliers teilen, windet sich ein offenes Rohr aus der Wand. Ahmed Ramadan nimmt damit nicht nur visuell Bezug auf ein Lüftungsrohr, das an der Decke entlangläuft, sondern spielt auf die Rohrpost zur Zeit der DDR an, wie er sagt. In der Öffnung des Rohres liegt eine tiefblau gefärbte Toilettenpapierrolle. Darauf gedruckt – das Logo des syrischen Passes. „Grenzwertig“ heißt die Arbeit, die sich nicht nur mit Fragen der Nationalität auseinandersetzt, „sondern mit dem Wert des Papiers an sich“, erklärt Ramadan. In Tartous, Syrien, geboren, besitze er nun seit zwei Jahren einen deutschen Pass. Davor seien Reisen mit langwierigen Wartezeiten an der Grenze verbunden gewesen. „Paradoxerweise gehört der syrische Pass zu den teuersten überhaupt“, erklärt er kopfschüttelnd.

Der Künstler Kamal Sallat spürt in großformatigen Arbeiten seinen Erfahrungen in einem Flüchtlingslager auf Lesbos nach. „Ich möchte die Schönheit der Natur dort zeigen – ohne den Schrecken zu verbergen“, sagt der drahtige Künstler mit dem sorgfältig frisierten Bart. Diese Gratwanderung vermittelt er in graf isch anmutenden Formationen. Zelte, Dächer werden dabei mit Ölfarben auf einer Leinwand angedeutet, die Farben changieren zwischen düsteren, gedeckten Schwarztönen und lebendigen Blautönen. Dem Moment des Verharrens, des Wartens stellt Wael Toubaji den Akt des Gehens gegenüber. In einer Videoinstallation bewegen sich die übereinandergelagerten, gezeichneten Umrisse einer Gestalt auf die BetrachterIn zu. „Im Prinzip ist das Leben eine Reise“, sagt Toubaji. Er ist einer der drei PreisträgerInnen, die im Rahmen der Ausstellungseröffnung vergangene Woche prämiert wurden. Gemeinsam mit Hiba Alansari und Tewa Barnosa wird Toubaji im Sommer nächsten Jahres eine Ausstellung bei 68 projects in Berlin gestalten.

Bis 27. 4. im Bikini-Haus, täglich ab 12 Uhr

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