Perspektive aus der braunen Bohne

PRODUZENTEN Die Kakaobauern der Genossenschaft El Ceibo wollen ihre Bioware nicht bloß exportieren. Sie verkaufen zunehmend auf dem heimischen Markt. Und für Kunden aus Übersee werden Pralinen sowie vier verschiedene Edelschokoladen hergestellt

Nur wenn wir mehr verarbeitete Produkte verkaufen, steigt unser Einkommen

VON KNUT HENKEL

„Bei den Kindern ist der Puffreis sehr beliebt, bei den Erwachsenen sind es eher die Tafeln, die gefragt sind“, erklärt Berta Cocha und wendet sich der Kasse zu. Eine Ordensschwester will drei Tafeln Schokolade bezahlen und dahinter wartet bereits Rosi de la Carma auf Bedienung. Die schlanke Frau mit den schiefen Zähnen kauft regelmäßig für die ganze Familie im Shop der Schokoladenkooperative El Ceibo. Das Geschäft befindet sich an der Frontseite des weitläufigen Gebäudes über dem in geschwungenen Lettern „El Ceibo“ steht. Hinter dem modernen Verwaltungsbau, in dem zahlreiche Büros und Dienstleister untergebracht sind, befindet sich die Fabrik von Boliviens erfolgreichster Kakaogenossenschaft. Die erntet nicht nur die aromatischen Bohnen, sie verarbeitet sie auch. „Von Jahr zu Jahr gehen weniger Bohnen und Kakaobutter in den Export“, so Francisco Reynaga Berrios, Präsident des Leitungsgremiums von El Ceibo. Er ist wie alle der 114 Angestellten, die derzeit in El Alto in der Zentrale der Genossenschaft arbeiten, selbst Kakaobauer und Sprössling einer Familie aus dem Anbaugebiet rund um das Dorf Sapecho.

Das liegt rund fünf Fahrtstunden von La Paz entfernt im tropisch-heißen Tiefland von Alto Beni. Dort bauen rund 1.500 Ceibolistas, so nennen sich die Mitglieder der Genossenschaft, Kakaobohnen zu Fairtrade-Konditionen an.

Bereits in den 70er Jahren haben die Kleinbauern begonnen, mit Abnehmern des Fairen Handels in den USA und Deutschland zu kooperieren. „Das funktioniert bis heute und ist ein Grund, weshalb die Fairtrade-Partner der ersten Stunde bis heute beliefert werden“, so Reynaga Berrios. Während in den 70er und 80er Jahren vor allem Rohbohnen und Kakaobutter verkauft wurden, ist das Angebot der Kleinbauern heute deutlich breiter. Auch die Anbaumethoden haben sich geändert.

Nach wie vor werden die Kakaoschoten auf kleinen Plantagen von Bauern wie Pedro Condore geerntet. Jedes Jahr im März rollt der 51-jährige Kakaobauer seine Bastmatten auf den Trockengestellen aus, um den Inhalt der reifen Kakaoschoten zu trocknen. „Erst wenn die Schoten leuchtend gelb-orange sind, ist es an der Zeit, sie von den Kakaobäumen, die im Schatten von großen Urwaldriesen gedeihen, zu holen“, erklärt Nicolás Mollo Ramírez. Er ist selbst Kakaobauer und berät gemeinsam mit seinen Kollegen die Bauern in der Region wie sie besser und effektiver anbauen und ihre Plantagen erweitern können. So wie Mollo Ramírez sind mehrere Agrartechniker von EL Ceibo in der Region unterwegs. „Die Nachfrage ist da, aber wir können sie kaum decken“, erklärt der stämmige Mann und bricht eine leuchtend gelbe Schote auf. Darin stecken die Bohnen – aufgereiht wie in einer Erbsenschote und umgeben von weißem süßlich riechendem Fruchtfleisch. Er drückt die hellen Bohnen heraus und lässt sie in eine Plastikbox fallen, deren Inhalt später auf dem Trockengestell von Pedro Condore landet.

Auf fünf Hektar baut der schlaksige Familienvater Kakao an, die restlichen sieben Hektar Fläche nutzt er zur Produktion von Nahrungsmitteln und Obst. Eine typische Nutzung in der Region, wo nur wenige Bauern mehr als zwanzig Hektar bestellen und wo die Erweiterung der Plantagen nach nachhaltigen Gesichtspunkten erfolgt.

„Die Kakaobäume, die wir selbst in Gewächshäusern ziehen, werden nach modernen Forstkonzepten angepflanzt. Es wird kein Regenwald gerodet und wir pflanzen typische Setzlinge aus der Region zwischen den Kakaobäumen als Schattenspender“, erklärt Nicolás Molla Ramírez. Nach und nach haben die Bauern, deren Familien erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts aus dem Hochland von Oruro in das heiße Tiefland von Sapecho umgesiedelt wurden, ihre Anbautechniken umgestellt. Bereits in den 80er Jahren begannen die ersten pfiffigen Bauern biologisch zu produzieren und so gehört die Genossenschaft zu den Pionieren auf dem Kakaoweltmarkt und dem kleinen bolivianischen Biomarkt.

Wir setzen mehr als die Hälfte unserer Produktion in Bolivien um“, erklärt El-Ceibo-Präsident Reynaga Berrios und deutet auf die funkelnden Maschinen, die gerade in der Fabrikhalle von El Ceibo montiert werden. Dort werden seit Mitte der 90er Jahre Schokoriegel, Bonbons, Puffreis und Schokoladentafeln hergestellt. Das neue Equipment aus Italien soll die Produktion noch effizienter machen und bei der Qualität haben die Bauern aus Sapecho oder besser die Chocolatiers aus El Alto beachtliche Fortschritte gemacht. Mittlerweile werden auch Pralinen und vier verschiedene Edelschokoladen mit mehr als siebzig Prozent Kakaoanteil hergestellt. Dabei kommt Biokaffee aus dem bolivianischen Anbaugebiet Caranavi und Salz aus dem berühmten Salzsee von Uyuni zum Einsatz. Bei den Kunden in Übersee, vor allem in den USA und Japan, kommt die Gourmettafel ausgesprochen gut an. Doch auch in Bolivien, wo umgerechnet rund vier US-Dollar pro Tafel entrichtet werden müssen, hat die neue Kreation mit dem schönen Design ihre Freunde. „Das ist auch nötig, denn nur wenn wir mehr verarbeitete Produkte herstellen und verkaufen, steigt das Einkommen unserer Mitglieder in Sapecho“, so Berrios.

Neue Initiativen wie der Verkauf von Obst, darunter Mandarinen und Mangos, soll den Bauern auch abseits der viermonatigen Kakaoernte Einnahmen bescheren. Das ist wichtig für Bauern wie Pedro Condore, der sieben Kinder zu versorgen hat und darauf hofft, dass die verarbeiteten Produkte von El Ceibo auch in Europa ihren Markt finden. Kunden wie Rosi de la Carma trauen es den Genossen zu, dass sie auch das noch schaffen. Gerade hat sie für rund 700 Bolivianos – knapp achtzig Euro – , Schokolade für die ganze Familie gekauft. „Die ist so lecker, das müssen ihre Leute erst einmal schmecken“, sagt sie lachend und wendet sich dem Ausgang des Ladens zu.