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: Schwedens Politik und der Mord an einem Bettler aus Rumänien

Der Verlust seiner Arbeit als Setzer und eine Scheidung hatten Gheorge Hortolemei-Lupu offenbar aus der Bahn geworfen. 2015 war er aus Rumänien ins südschwedische Huskvarna gekommen. Wenn er nicht Pfandflaschen oder -dosen sammelte, saß er meist mit einem Pappbecher vor dem „Rosengalerie“- Einkaufszentrum. Bald gehörte er zum Straßenbild, bekam den Spitznamen „Gica“. Als „freundlichen, dankbaren Mann“ beschreibt ihn Iréne Linddahl von der Pfingstkirche, bei der er manchmal für eine Mahlzeit, eine Dusche oder zum Gottesdienst vorbeikam.

Am 8. August letzten Jahres saß er nicht mehr vor der „Rosengalerie“. Am Morgen war der 48-Jährige tot im nahen Smedby-Park gefunden worden. Dort pflegte er zu übernachten. Bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Zwar hat man in Huskvarna auch Schlafplätze für Obdachlose. Aber da ist nur willkommen, wer keinen Tropfen Alkohol trinkt. Das schaffte „Gica“ nicht.

Ein gewaltsamer, kein natürlicher Tod, ergab die Obduktion. Ein 14- und ein 16-jähriger Schüler wurden festgenommen. Die Jugendlichen hatten die Polizei selbst auf ihre Spur gebracht. Sie hatten sich vor Freunden damit gebrüstet, „die Pissratte“ zusammengeschlagen zu haben, und sich dabei gefilmt. Es stellte sich heraus, dass „Gica“ regelmäßig von einer Gruppe Jugendlicher drangsaliert und misshandelt worden war. Seit mehreren Monaten. Videoclips davon wurden in sozialen Medien verbreitet. Man habe „davon gehört“, gestanden auch Erwachsene. Reagiert hatte niemand.

Am Freitag sprach das „Göta Hovrätt“ in Jönköping das Urteil. Das einem deutschen Oberlandesgericht vergleichbare Berufungsgericht bestätigte den Spruch des Amtsgerichts: Fünf Monate Jugendarrest für den 16-Jährigen, keine Rechtsfolgen für den noch nicht strafmündigen 14-Jährigen. Die beiden Jugendlichen hätten mit Tritten, Faustschlägen und Schlaggegenständen den Tod des Vaters von zwei Kindern herbeigeführt, heißt es im Urteil.

Doch waren da nicht auch Brandstifter?, fragen manche Kommentare. Seit zwei Jahren hetzen schwedische PolitikerInnen gegen bettelnde EU-MigrantInnen aus Rumänien oder Bulgarien. Von den rassistischen Schwedendemokraten ist wohl nichts anderes zu erwarten. Aber auch die konservativen Moderaten meinen, Bettler hätten in Schweden nichts verloren. „Wir haben mehrmals im Reichstag Initiativen für Betteleiverbote eingebracht“, warben sie im Wahlkampf 2018. Auch der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven hatte gefordert: „Das muss ein Ende haben.“

Reinhard Wolff