Claudius Prößer über ein neues Verkehrsschild mit Ablaufdatum: DDR-Relikt macht Radler froh – vielleicht
Der Grüne Pfeil ist bekanntlich neben dem Ampelmännchen und der Schlager-Süßtafel eines der wenigen DDR-Relikte, die es geschafft haben, im rauen westlichen Alltag zu überleben. Allerdings steht die Abbiegeerlaubnis bei roter Ampel schon länger unter Beschuss – „zu unfallträchtig“ heißt es immer wieder. Zumal sich seit 1990 gefühlt kein einziger Autofahrer mehr an die mit dem Zeichen verbundene Vorschrift gehalten hat, erst einmal ganz stoppschildlike anzuhalten. Anhalten im Sinne von Stehenbleiben also.
Jetzt bekommt das grüne Pfeilchen wieder Aufwind, zumindest versuchsweise: Am Freitag enthüllte Stefan Tidow, grüner Staatssekretär in der Umwelt- und Verkehrsverwaltung, das nagelneue Verkehrszeichen „Grüner Pfeil, aber nur für RadfahrerInnen“ an der Torstraße. Die dortigen Zufahrten zur Schönhauser Allee sowie zur Rosa-Luxemburg-Straße sind zwei von ganzen fünf Orten, an denen das Experiment für mehrere Monate läuft, in Eigenregie des Senats, aber analog zu einem von der Bundesanstalt für Straßenverkehr in neun Städten durchgeführten Versuch. Bis Januar 2020 soll ausgewertet sein, wie sich die Schilder auf den Verkehr auswirken.
„Wir wollen Radfahren attraktiver machen“, sagte Tidow am Freitag. Mit dem Grünpfeil könnten Radfahrende schneller vorankommen. Ärger, so viel ist sicher, handelt sich seine Verwaltung damit bei der Fußgängerlobby und Behindertenverbänden ein. Denn für die Menschen, die sie vertreten, wird das Geschehen auf der Kreuzung dadurch noch komplexer, sprich: gefährlicher. Nikolas Linck, Sprecher des Berliner ADFC, widerspricht: In Städten wie Strasbourg oder Basel, wo ähnliche Regelungen bereits eingeführt sind, hätten sich die Unfallzahlen nicht erhöht. Für alle Kreuzungen sei die Pfeil-Regelung sicher nicht sinnvoll, an vielen jedoch „absolut unproblematisch“.
Vielleicht ist der Verkehrsversuch aber auch ein Schuss ins RadlerInnenknie. Denn er darf eigentlich nur dann als erfolgreich gelten, wenn sich die Velo-Fahrenden an die Stopp-Pflicht halten. Das aber ist in etwa so wahrscheinlich wie die Vorstellung, dass sich Berliner VerkehrsteilnehmerInnen freiwillig die Vorfahrt überlassen und dabei freundlich grüßen.
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