„Bremer sind selbst schuld“

In einem Brief hat der Bundesfinanzminister eine vernichtende Kritik der Bremer Sanierungsstrategie formuliert – und alle weiteren Bremer Ansprüche abgewehrt

Bremen taz ■ Dass das Bundesfinanzministerium gehörig sauer über die Art und Weise ist, wie Bremen in den Jahren 1994 bis 2004 die 8,5 Milliarden Euro Sanierungshilfe verpulvert hat, wurde bisher hinter vorgehaltener Hand immer wieder gemunkelt. Mit Rücksicht auf den so genannten „Kanzlerbrief“ hielt sich das Finanzministerium aber mit schriftlichen Äußerungen zurück. Nun hat Hans Eichel (SPD) in einem Brief Klartext geredet. War die Voraussetzung für die Sanierungshilfen seit 1994 immer gewesen, dass Bremen „unverschuldet“ in eine Haushaltsnotlage geraten war, geht das Bundesfinanzministerium nun davon aus, dass Bremen an seiner Lage inzwischen selbst schuld ist. „Die Ursachen (der seit 1994 um 34 Prozent angestiegenen Verschuldung, d. Red.) liegen offensichtlich in einer wenig erfolgreichen Sanierungsstrategie, an der das Land bis heute festhält“, heißt es in dem in Eichels Auftrag verfassten und von seinem persönlichen Referenten Steffen Meyer unterzeichneten Brief des Bundesfinanzministers. Der Bund habe „seit längerem“ die überproportional hohen Investitionsausgaben Bremens „skeptisch beurteilt“ und keineswegs gebilligt, heißt es in dem Brief.

Scharf widerspricht der Minister der Bremer Behauptung, Bremen habe alle Sanierungsauflagen erfüllt oder sogar übererfüllt. Die gesetzten Obergrenzen „sind lediglich eine notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Bedingung für die notwendigen Anstrengungen eines Landes zur Sanierung gewesen; aus diesem Grunde kann es der Bund nicht akzeptieren, wenn Bremen sich bis in die jüngste Zeit hinein ein Ausgabenniveau geleistet hat, das über demjenigen Hamburgs gelegen hat, das im Länderfinanzausgleich Zahlerland ist.“ Das Bremer Argument, es habe ein Investitionsrückstand bestanden, interessiert das Bundesfinanzministerium nicht: Bremen habe 2004 als Land mit dem höchsten Schuldenstand auch die höchsten Investitionsausgaben gehabt – „209 Prozent des Länderdurchschnitts“, heißt es in dem Brief. Aufgrund der Ausgleichswirkung des Länderfinanzausgleichs könnten überproportionale Investitionsausgaben kaum Auswirkungen auf die Einnahmen haben. „Jede Sanierungsstrategie“ müsse aber auf „einen möglichst schnellen Abbau der Zinsbelastungen angelegt sein“, kritisiert Eichel den von Bremen selbst gesetzten Schwerpunkt auf das Investieren. Bremen, lässt Eichel durchblicken, sei ergo selbst schuld, weil „die Verantwortung für die jeweilige Sanierungsstrategie allein bei Bremen liegt“.

Eine Fortführung von Sanierungshilfen, wie von Bremen erwartet, schließt der SPD-Bundesfinanzminister aus, wenn er die Haushaltsprobleme „auf überhöhte, unangemessene Ausgaben“ zurückführt und als selbst verschuldet betrachtet. Auch das Maßstäbegesetz, erinnert der Brief, verbiete rechtlich eine „Daueralimentierung“ eines Landes, deswegen sei die Verlängerung der Sanierungshilfe bis 2004 ausdrücklich als „abschließende“ Hilfe bewilligt worden.

Der Brief des Bundesministers nimmt mehrfach Bezug auf die von dem Bremer Finanzexperten der Arbeitnehmerkammer, Hans-Jürgen Kröger, am 2. Juli 2005 in der taz vorgestellte Kritik an angeblichen „Bremer Sanierungserfolgen“. Insbesondere stimmt Eichel der Kritik Krögers an dem neuen Bremer Ziel des „ausgeglichenen Primärhaushaltes“ zu. „Denn dies bedeutet eine unzulässige Ausblendung der Zinsausgaben, deren Höhe ja den inzwischen aufgelaufenen Schuldenstand reflektiert und somit Ausdruck haushaltspolitischer Fehlentscheidungen der Vergangenheit sind“.

Damit wehrt sich der Finanzminister schon vorbeugend gegen den Bremer Anspruch eines Schuldenerlasses, den das Bundesland Berlin derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht einzuklagen versucht. K. Wolschner