Schwäne werden zum Gesundheitsrisiko

Der Berliner Senat bleibt angesichts der nahenden Vogelgrippe ruhig. Statt mehr lagert er weniger Impfstoff ein als empfohlen. Ab Mitte September haben Hühner, Puten und Enten Hausarrest, Wildvögel könnten die Krankheit übertragen

VON MARIA KRAUSCH
UND RAFAEL BINKOWSKI

„Es besteht kein Grund, sich in Panik versetzen zu lassen“, erklärt der Berliner Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse zur Diskussion um die Vogelgrippe. Er vermutet eine „industrienahe Kampagne“ für den virushemmenden Impfstoff Tamiflu. Daher habe man weniger Vorräte eingelagert als vom Robert-Koch-Institut empfohlen.

Aber wie gefährlich ist das Virus wirklich? Schulte-Sasse weist darauf hin, dass es noch keine Ansteckung von Mensch zu Mensch gegeben habe. Das Medikament Tamiflu könne nur verhindern, dass sich die Viren vermehren. „Ein Impfstoff gegen die Vogelgrippe bei Menschen kann erst entwickelt werden, wenn das Virus mutiert ist“, erklärt Senatssprecherin Roswitha Steinbrenner.

Panik ist nicht angeraten. Auf gebratenes Hühnchenfleisch zu verzichten bringt jedenfalls nichts. Franz Conraths vom Friedrich-Löffler-Institut für Tiermedizin hält eine Infektion auf diesem Weg für unwahrscheinlich. Nur wenn man den Erreger direkt einatme, gebe es wie bei einer „normalen“ Grippe eine Tröpfcheninfektion. Ein „enger Kontakt“ mit den Hühnern sei Voraussetzung. Conraths meint, derzeit gehe Gefahr eher von Reisenden aus Russland aus, weil dort viele Menschen privat Hühner hielten und damit Virusträger sein könnten.

Die Berliner Gesundheitsbehörde hat dennoch beschlossen, weniger Tamiflu zu besorgen, als vom Robert-Koch-Institut (RKI) empfohlen: Dieses fordert, für 20 Prozent der Bevölkerung Vorräte anzulegen. Berlin hat seinen Impfstoff in einen gemeinsamen Pool mit anderen Bundesländern eingebracht, um im Ernstfall besonders gefährdete Menschen wie Alte und Kranke behandeln zu können. Berlin könnte mit dem jetzigen Bestand ca. 250.000 Menschen impfen. Die Senatssprecherin verweist auch auf verstärkte Kontrollen an den Berliner Flughäfen, die verhindern sollen, dass infizierte Tiere ins Land gelangen.

Anders als die Großstadt Berlin gehört Brandenburg mit 8,3 Millionen Hühnern, Puten, Gänsen und Enten zu den größten Geflügelzuchtregionen Deutschlands. Der Geflügelwirtschaftsverband Brandenburg warnt dennoch davor, Panik aufkommen zu lassen. Vorsorge sei getroffen. Lediglich beim Impfverbot der EU habe man Bedenken. Ließe Brüssel „markierten“ Impfstoffe zu, hätte man, so glauben die Brandenburger, eine Seuche leichter unter Kontrolle.

Spätestens ab dem 15. September soll die Freilandhaltung jeglichen Geflügels verboten werden. Selbst Vorkehrungen zur Massentötung habe man schon getroffen, sagt Jens-Uwe Schade, Sprecher des Potsdamer Landwirtschaftsministeriums. Container wurden angeschafft, in denen das Geflügel im Seuchenfall mit Kohlenstoffdioxid getötet werden kann.

Nach Ansicht der Experten im Berliner Verbraucherschutzministerium würden die Zugvögel Mitte September, aus Osteuropa kommend, über Brandenburgs Farmen fliegen. Dann beginnt die Gefahr. Züchter und Halter von Hühnern müssen dann aufpassen, dass sich ihr Federvieh nicht bei möglicherweise infizierten Wasservögeln wie Enten und Schwänen ansteckt.