Märkte reagieren gereizt auf Ölstreik

Wegen gewalttätiger Proteste setzt der staatliche Ölkonzern Petroecuador seine Förderung aus. Demonstranten wollen, dass mehr vom Gewinn in ihrem Land bleibt. Regierung: Frühestens in 30 Tagen wird normale Fördermenge wieder erreicht

AUS PORTO ALEGRE GERHARD DILGER

Tränengas und Gummigeschosse, brennende Autoreifen und Holzlatten: Im ecuadorianischen Nueva Loja, der Hauptstadt der Amazonas-Provinz Sucumbíos, hat der von Präsident Alfredo Palacio verhängte Ausnahmezustand die Gemüter nicht beruhigt. Im Gegenteil. Seit Montag streikt die Bevölkerung für eine gerechtere Verteilung der Öleinkünfte, vorgestern stellte die staatliche Ölfirma Petroecuador ihre Rohölexporte völlig ein.

Am Vorabend hatte Palacio den Notstand für Sucumbíos und die Nachbarprovinz Orellana ausgerufen. Nicht die Stabilität seiner Regierung, sondern die des ganzen Volkes stehe auf dem Spiel, sagte er im Fernsehen. Der Streik werde von Anhängern von Ex-Präsident Lúcio Gutiérrez unterstützt, behauptet er.

Mit Rückendeckung führender Lokalpolitiker halten die Demonstranten mehr als 200 Bohrlöcher und zwei Flughäfen besetzt und legen die Provinzen durch Straßenblockaden lahm. Sie wollen einen größere Beteiligung an dem Erdölreichtum und die bevorzugte Anstellung lokaler Arbeitskräfte. Diese Forderungen seien „legitim und gerecht“, erklärte die ecuadorianische Bischofskonferenz. Auch die Indígena-Organisation Conaie unterstützt den Ausstand. Keine Lösung brachte ein Angebot der Ölmultis: Sie erklärten sich zur Finanzierung von Sozialprogrammen bereit, stellten einen Straßenbaufonds in Aussicht, durch den 200 Kilometer asphaltiert werden sollen.

Nach Angaben von Petroecuador betrug die Fördermenge vorgestern 10.500 Barrel. Letzte Woche waren noch 201.000 Barrel täglich gefördert worden. Dadurch seien „reale Produktionsverluste“ von 30 Millionen Dollar entstanden, die sich bei einem angenommenen Barrelpreis von 55 Dollar bis Mitte Oktober auf 443 Millionen erhöhen könnten. Weil Generatoren beschädigt oder gestohlen worden seien, könnten viele Pumpen nicht mehr betrieben werden, sagte Energieminister Iván Rodríguez. Es werde 30 bis 60 Tage dauern, bis die normale Fördermenge wieder erreicht sei.

In Caracas sagte Venezuelas Staatschef Hugo Chávez, er warte nur darauf, vom Pentagon als Anstifter des Streiks in Ecuador beschuldigt zu werden. Vor Tagen hatte er gesagt, man könne die Öllieferungen an die USA einstellen, wenn die „Aggressionen“ der Regierung Bush weitergingen. Mit 1,5 Millionen Barrel am Tag ist Venezuela der drittwichtigste Öllieferant der USA.

Bis Redaktionsschluss war ein Ende des Streiks in Ecuador nicht abzusehen. Entsprechend panisch reagierten gestern die Ölmärkte: Auf dem asiatischen Markt stieg der Barrelpreis binnen weniger Stunden um 49 US-Cent auf 63,76 Dollar. Und das, obwohl der Preis für Opec-Rohölpreis seit Tagen auf dem Rückzug ist. Das Opec-Sekretariat in Wien registrierte gestern 56,51 Dollar je Barrel. Ecuador, das kein Opec-Mitglied ist, ist Südamerikas fünftgrößter Ölproduzent, mehr als die Hälfte der Exporte gehen in die USA. 2004 wurde Öl im Wert von 3,9 Milliarden Dollar ausgeführt.

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