Mythos Werte
: Vorfahrt für Nation und Wirtschaft
AUS PRAG ULRIKE BRAUN

Zumindest eines haben die tschechischen Bürgerdemokraten mit den deutschen Christdemokraten gemeinsam: Jahrelang im Griff einer starken Führungspersönlichkeit, tun sie sich schwer, einen ebenbürtigen Nachfolger zu finden. Dem charismatischen Václav Klaus, seit seiner Wahl zum Präsidenten der Tschechischen Republik im Februar 2003 zur Überparteilichkeit verdammt, folgte der blasse Mirek Topolanek.

Zugegeben – in die Fußstapfen von Klaus treten zu müssen, ist nicht einfach. Keine Partei in Tschechien ist so sehr mit einer einzigen Person verbunden wie die Bürgerpartei ODS mit Vaclav Klaus. Als Gründer und Chefideologe der Partei, die 1991 aus dem konservativen Flügel des revolutionären Bürgerforums von Václav Havel hervorging, hat der Ökonomieprofessor ihr seinen Stempel aufgedrückt. Ganz nach seinem großen Vorbild Margaret Thatcher machte Klaus die ODS zu einer konservativen Partei britischer Prägung. Soziale Marktwirtschaft, wie von der Union in Deutschland lange favorisiert, gibt es in der ODS-Ideologie nicht. Marktwirtschaft, so der Gründungsmythos der Partei, kann nicht gleichzeitig frei und sozial sein. So ist die ODS stolz darauf, die Partei der Unternehmer zu sein. Gegenwärtig propagiert sie – wie auch Angela Merkels Finanzexperte Paul Kirchhof – die Einführung einer Einheitssteuer. Nur dass die ODS die Flat Tax noch flacher machen will: Der Steuersatz soll auf 15 Prozent sinken.

Mehr Gemeinsamkeiten zwischen ODS und CDU gibt es nicht. In der Außenpolitik verfechten die Mannen von Klaus einen streng nationalistischen Kurs, der sich immer wieder gegen den großen Nachbarn Deutschland und den großen Bruder EU richtet. Diese ist für die ODS unakzeptabel, weil sie sich in Richtung „Superstaat“ bewegen, der die nationale Souveränität Tschechiens „ersticken“ würde. Auch hier folgt die Bürgerpartei wieder Václav Klaus, dem einzigen Präsidenten der zehn neuen EU-Mitglieder, der beim Beitrittsreferendum keine Empfehlung für ein Ja ausprach.