Mit oder ohne Vorsatz?

Bundesgerichtshof gibt Hinweise auf die Frage, welches Urteil wann dem Rechtsrahmen entspricht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im März 2018 dem Berliner Landgericht aufgezeigt, wie der Ku’damm-Raser-Fall zu entscheiden ist. Wenn zumindest bedingter Vorsatz vorliegt, muss wegen Totschlags oder Mord verurteilt werden, Höchststrafe lebenslang. Kann nur bewusste Fahrlässigkeit festgestellt werden, muss das Urteil auf fahrlässige Tötung lauten, Höchststrafe 5 Jahre.

Ein bedingter Vorsatz liegt laut BGH dann vor, wenn der Täter sich zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen „abfindet“, um sein Ziel zu erreichen. Dagegen ist es bewusste Fahrlässigkeit, wenn der Täter „ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut“, es werde schon niemand sterben.

Die „objektive Gefährlichkeit“ der Handlung ist laut BGH ein wichtiges Indiz für einen Vorsatz. Ein Kfz-Wettrennen mit stark erhöhter Geschwindigkeit unter Missachtung roter Ampeln dürfte zunächst also auf einen Tötungsvorsatz hindeuten.

Allerdings spreche es gegen einen Tötungsvorsatz, so der BGH, wenn der Täter erkannt hat, dass er sich mit einem Wettrennen auch selbst gefährdet und deshalb auf „einen guten Ausgang vertraut hat“. Will das Landgericht bedingten Tötungsvorsatz annehmen, müsste es also belegen, dass sich ein Raser in der konkreten Situation unverwundbar gefühlt hat. Dabei komme es auf den Nachweis im Einzelfall an. Es gebe nämlich keinen „Erfahrungssatz“, so der BGH, dass Raser sich in ihren PS-starken Fahrzeugen stets sicher und unangreifbar fühlen.

Ein Jahr später, Ende Februar 2019, bestätigte der BGH in einem Hamburger Fall erstmals die Verurteilung eines Rasers wegen Mordes. Dort ging es freilich nicht um ein illegales Rennen. Vielmehr versuchte ein betrunkener Taxidieb, in einer wilden Verfolgungsjagd der Polizei zu entkommen. Der BGH akzeptierte den bedingten Tötungsvorsatz, weil der Taxidieb sein Fahrzeug auf der Flucht gezielt auf die Gegenfahrbahn lenkte.

2017 hat der Gesetzgeber das neue Delikt „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ eingeführt, um zu verhindern, dass Strafgerichte nur zwischen Mord/Totschlag und fahrlässiger Tötung entscheiden können. Wird bei einem solchen Rennen der Tod eines Menschen verursacht, beträgt die Höchststrafe zehn Jahre. Erste Urteile betreffen allerdings Fälle ohne Todesopfer. Die Wettrennen und Solo-Rasereien wurden deshalb nur mit Geldstrafen sowie zeitweiligem Führerscheinentzug bestraft.

Christian Rath