KLAUS-HELGE DONATH ÜBER DIE PROTESTE GEGEN RUSSLANDS PRÄSIDENT PUTIN
: Langer Marsch in die Zukunft

Beide – Kreml und Opposition – können den Auftakt zum politischen Herbst in Russland als Erfolg für sich verbuchen. Putins Gegner sind erleichtert, dass die Protestbereitschaft zumindest in Moskau nicht wirklich nachgelassen hat. Zehntausende nahmen am Wochenende an der Großdemonstration „Marsch der Millionen“ teil.

Der Kreml indes darf auch beruhigt sein: Wenigstens in der Provinz geht alles wieder den normalen Gang. Nur ein paar tausend Seelen trieb es fern der Hauptstadt auf die Straße. Mit Genugtuung werden die Machthaber auch zur Kenntnis genommen haben, dass die heterogene Opposition noch zu keiner gemeinsamen Strategie gefunden hat. Sie bemüht sich, innere Risse zu verbergen, und demonstriert nach außen Einigkeit. Auf keinen Fall soll das gemeinsame Ziel – Russland ohne Putin – durch Streitigkeiten aufs Spiel gesetzt werden. Die Forderungen unzufriedener Kremlgegner nach politischer Perspektive und alternativen Strukturen werden immer lauter.

Inzwischen ist absehbar, dass Kremlchef Wladimir Putin die sechsjährige Amtsperiode bis 2018 nicht unbeschadet überstehen wird. Ein vorzeitiger Abgang scheint schon programmiert. Denn die Selbstherrlichkeit des autistischen Monarchen macht seiner Umgebung schon jetzt schwer zu schaffen. Er wird zur Belastung, die am Ende auch die Existenz der herrschenden Kaste bedroht.

Doch was danach auf Russland wartet, flößt auch nicht mehr Vertrauen ein. Putins Rückzug bedeutet nicht automatisch das Ende des autoritären Herrschaftsmechanismus. Antimodernistische und vormoderne Kräfte stellen immer noch eine Mehrheit. Sie werden nach der Macht greifen. Das ist dann aber die letzte Schleife, bevor sich Russland mit einer neuen Generation ab Mitte der 20er Jahre der Zukunft zuwenden kann.

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