VfL-Schwungbeine im Mommsenstadion

6:0 gewinnt Zweitligist VfL Bochum bei Tennis Borussia Berlin, einem der dankbarsten Gegner der ersten Pokalrunde. Nach dem 2:2-Heimstart gegen Cottbus zeigen Bochums Spielmacher Wosz und Misimovic schönen Fußball

BERLIN taz ■ Etwas mehr als eine halbe Stunde war im Berliner Mommsenstadion gespielt, als China sich die ganz große Bühne gönnte. Nicht etwa ein Tor bereitete der Bochumer Brasilianer vor, noch weniger erzielte er eines. Vielmehr unterlief dem Außenverteidiger auf Höhe der eigenen Trainerbank ein Fehler, der ihm im Normalfall einen Tagesordnungspunkt in der Spielauswertung eingebracht hätte.

Wie dem Sekundenschlaf erlegen, schien er inmitten seines kurzen Dribblings eingenickt zu sein. Während China also seinen behäbigen Bewegungsfluss gänzlich stoppte und der Ball nun führungslos auf die sich in Schlagdistanz aufgebauten TeBe-Spieler zurollte, passierte es. Ein Blitz durchzuckte den 1,74 Meter großen Körper. China hatte innerhalb von einem Sekundenbruchteil die zwischen ihm und dem Spielgerät entstandene Ferne wettgemacht. Eine Sohle hielt kurz auf dem Ball inne, zog diesen dann seitlich zurück, während das Schwungbein die Gesamtbewegung zu einer gekonnten Pirouette werden ließ, mit der sich der Brasilianer an den beiden Tanzpartnern vorbei manövrierte. Staunend sahen nicht nur die direkt beteiligten TeBe-Akteure Daniel Petrowski und Osama Monsour der Situation zu, sondern auch die meisten ihrer Mitspieler im Verlauf der 90 Erstrunden-Pokalminuten aus.

In einem Spiel, das der VfL mühelos und mit dem Einsatz einfacher aber schön anzuschauender Kombinationen mit sechs Toren für sich entschied, blieb das Revierteam vom erwarteten Pokalfight verschont. Dabei hatte der Berliner Viertligist noch am vorigen Montag live im Fernsehen mitverfolgen können, wie der Aufstiegsfavorit der aktuellen Zweitliga-Saison zu gefährden ist. Mit Kampf, Körperlichkeit und Einsatz. Alles Fähigkeiten, die Cottbus beim 2:2 im Ruhrstadion bewies und die auch der TeBe-Trainer Theo Gries von seiner Oberliga-Truppe einforderte. Aber irgendwo zwischen Kabine und Spielfeld müssen seine Akteure dies vergessen haben, scherzte der Ex-Bundesliga-Stürmer mit verbitterter Miene.

Der neue VfL-Coach Marcel Koller hatte die Partie zu diesem Zeitpunkt längst abgehakt. Man habe den Gegner früh unter Druck gesetzt, ihn so zu Fehlern gezwungen und selbiges sei das Oberliga-Team offenbar nicht gewöhnt. Es ist wohl dem Understatement des Schweizers gegenüber dem lockeren Pokalerfolg geschuldet, dass er an dieser Stelle nicht das großartig funktionierende Spielgestalter-Duo Wosz/Misimovic lobte. Oder traut er schlicht dem Frieden nicht? Ein Frieden, der zwischen dem fast altersweise wirkenden Dariusz Wosz, der stetig mit dem 13 Jahre jüngeren Bosnier um Austausch bemüht war, und Zvjezdan Misimovic, der nahezu jeden Freistoß trat und markant selbstbewusst seine 16 als 10 über den Platz trug, in Berlin allein das Eintrittsgeld wert war.

MATHIAS LIEBING