Backstage unterm Himmelszelt

ORTSTERMIN Landesbischöfin Käßmann und Die Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel werben für einen unterhaltsamen Reformationstag. Motto: „Selig sind die geistig Armen“

Krumbiegel musste einräumen, dass er die „friedliche Revolution“ versäumt hat

Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann möchte Ende Oktober in Ulm zum neuen Oberhaupt der evangelischen Kirche gewählt werden. Da kann ein bisschen Ballyhoo nicht schaden. Zu diesem Zweck hatte Käßmann in ihre Kanzlei geladen und zwei fromme Leipziger Sängerknaben mitgebracht: Sebastian Krumbiegel und Henri Schmidt, Mitglieder der Leipziger Popgruppe Die Prinzen.

Die Schnulziers werden in voller Stimmstärke antreten, wenn die Landesbischöfin in der Stiftskirche Wunstorf am Monatsletzten einen Reformationsgottesdienst zelebriert. Glaubt man den Verlautbarungen, wird das Ganze ein antikapitalistischer Hammer der Sonderklasse. Schließlich habe Luther bereits 1529 Geld als den „allergewöhnlichsten Abgott auf Erden“ bezeichnet und die Gier nach immer mehr Rendite treffend so kommentiert: „Woran du nun dein Herz hängst, das ist eigentlich dein Gott!“

„Ein Schwein sein in der Welt“, „der Ehrliche ist immer der Dumme“ – ja, sprach die Bischöfin, das seien „scheinbar die Grundregeln der Gesellschaft. Aber in Wahrheit sei es doch so: „Selig sind die Friedfertigen, die reinen Herzens sind, die geistig Armen …“

Was die Prinzen außer ihrer Thomanerchorvergangenheit dazu beitragen können, erläuterte NDR-Fernsehpastor Jan Diekmann, der die Liveübertragung des Reformationsgottesdienstes moderieren wird. Die Jungs sollen seinen Lieblingshit „Backstage-Pass ins Himmelszelt oder so ähnlich“ vortragen.

Anschließend wird er sie interviewen. Aber nicht zu Gott, Luther oder sonstiger sakraler Nabelschau. Ihr Thema ist „20 Jahre deutsche Einheit“. Krumbiegel musste allerdings einräumen, dass er die „friedliche Revolution“ recht eigentlich versäumt hat. Er sei da nicht hingegangen, sondern habe in der Uni gehockt, weil man dem damaligen Musikstudenten gewarnt hatte, es könne brenzlig werden. „Ich war ein Feigling“, bekannte der Vorsänger, ein Statement, von dem Dieck- und Käßmann so beeindruckt waren, dass Prinz-Schmidt ebenfalls kundtat, er habe sich auch nicht aus dem Haus getraut, damals, „als ganz Leipzig auf der Straße war“.

Zum Schluss versicherte der Gottesmann des NDR, die Wunstorfer Sause zum Reformationstag werde beweisen, dass kirchliche Feiertage „spirituell, fernsehgerecht und unterhaltsam“ sein können. Und das stimmt auch, wie dieser Auftritt wieder einmal hinlänglich bewiesen hat. MICHAEL QUASTHOFF