Der Berg bebt

In der 1. Runde des DFB-Pokals sorgt Kickers Offenbach mit einem 3:1-Sieg gegen den 1. FC Köln für eine Überraschung. Auf dem Bieberer Berg sucht man nun den Zirkelschluss mit der Vergangenheit

AUS OFFENBACH KLAUS TEICHMANN

Da hingen sie wieder auf ihren püscheligen Kisschen an den Fenstern, die Anwohner der lang gezogenen Bieberer Straße in Offenbach, die hinauf zum altehrwürdigen Stadion Bieberer Berg führt. Lange Jahre gab es ein großes Fußballspektakel in Offenbach nicht mehr zu bestaunen. „Hallo Deutschland, wir sind wieder da“, hatten die OFC-Fans nun wieder auf ihren T-Shirts stehen – beim Pokalspiel gegen den 1. FC Köln, das so sensationell endete für die Kickers und die Anwohner der Bieberer Straße.

Gerade sind die Kickers ja wieder in die zweite Liga aufgestiegen, nachdem sie zeitweise sogar in den Niederungen der viertklassigen Hessenliga verschwunden waren. Endlich hat man den verhassten Erzrivalen Eintracht Frankfurt wieder in Sichtweite, der dem Main-Derby nur durch seinen Last-Minute-Aufstieg in die erste Liga entkommen ist. Nach zwei spektakulären Auftaktsiegen gegen Hansa Rostock und Greuther Fürth scheinen die Kickers gut gerüstet für die zweite Liga, besser als bei ihrem einjährigen Intermezzo in der Saison 1999/2000 unter Coach Peter Neururer.

Das Los bescherte dem OFC am Samstag also den ebenfalls noch in der Liga unbesiegten Aufsteiger 1. FC Köln. Ausgerechnet den Geißbock-Verein, an den man in Offenbach gute Erinnerungen hat. Lange musste man sich in der randständigen Stadt am Main, die außer dem deutschen Wetterdienst und einer darniederliegenden Lederindustrie nicht mehr viel zu bieten hat, an der Fußballhistorie hochziehen. Neben dem ausgerechnet gegen Eintracht Frankfurt 1959 verlorenen Endspiel um die deutsche Meisterschaft war es just der im Jahre 1970 errungene DFB-Pokal gegen den 1. FC Köln, der den Kickers-Fans da blieb.

Aggressive Körpersprache

„Den Berg wieder zum Beben bringen“, forderte OFC-Vizepräsident Thomas Kalt vor dem Pokalschlager, „wie wäre es mit einem 2:1, so wie 1970 oder vor drei Wochen im Freundschaftsspiel gegen den FC?“ Bevor es auf arg holprigem Geläuf losgehen konnte, offenbarten die Offenbacher Verantwortlichen, dass sie schon eine geraume Zeit nicht mehr auf der großen Fußballbühne zu Hause sind.

Die Offenbacher Gefahrenverordnung wurde da akribisch verlesen, der Gast wurde gar mit Gründungsdatum vorgestellt, ehe die Cheerleader einer ihrer gefürchteten Auftritte darreichten. Ein Erstligist in der Fußballprovinz – authentische Pokalatmosphäre herrschte also. Der Coup sollte tatsächlich gelingen. Obwohl Kölns Coach Uwe Rapolder hinterher richtig erkannte, dass der Gast bis zur 60. Minute das Spiel gut kontrolliert habe, „auch wenn wir manchmal nur das Notwendigste getan haben“. Wie vor Wochenfrist in Stuttgart führte Lukas Podolski Köln als Kapitän an. Vor den Augen von Joachim Löw, der sich nicht gerade regelmäßig auf den Bieberer Berg verirrt, tat der Nationalspieler dies auch recht beherzt. Immer wieder ließ er sich geschickt ins zentrale Mittelfeld fallen und verteilte die Bälle. Mit harten Attacken hatte Podolski schnell den Unmut der Offenbacher Anhänger unter den 15.500 Zuschauern auf sich gezogen; der FC-Spielführer machte mit seiner aggressiven Körpersprache deutlich, dass man unter dem Dom wohl wenig Interesse an einer Pokalsensation hatte.

Markus Feulner hatte die berüchtigten OFC-Anhänger mit seinem Führungstor schnell ernüchtert. Erst als Kölns Andrew Sinkala in der zweiten Halbzeit nach einem groben Foulspiel die Rote Karte sah, wachten die Kickers-Fans wieder auf. „Das war die Schlüsselszene des Spiels“, meinte der Kölner Trainer. Einem Hexenkessel glich der Bieberer Berg dann, als Qualid Mokhtari den Ausgleich schaffte und Suat Türker die Begegnung mit seinem Elfmetertreffer zum 2:1 drehte. „Unser Torwart Sead Ramovic hat überragend gehalten, und wir haben unsere taktische Linie durchgezogen“, jubelte Offenbachs Trainer Hans-Jürgen Boysen – nachdem sein Keeper zwei Ausgleichschancen Feulners vereitelte.

Kickers-Renaissance

Die marode Arena bebte spätestens nach dem Eigentor von Christian Rahn zum 3:1 für die Kickers bedenklich. „Man kann in Offenbach verlieren“, ärgerte sich Rapolder nach der neuerlichen Niederlage gegen die Kickers, „es ist nur schade, dass wir das Spiel durch eine Unbeherrschtheit aus der Hand gegeben haben.“ Jetzt fehlt den Offenbacher Kickers nur noch ein Sieg gegen Eintracht Frankfurt in den nächsten Pokalrunden zur Glückseligkeit. Die Heimstätte von Rudi Völler, Erwin Kostedde und Jimmy Hartwig scheint in diesem Jahr vor einer Renaissance zu stehen.