Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Schon beim letzten Besuch bei KM hatte mir Galerist Jens Mentrup von Ilse Henin erzählt und nicht zu viel versprochen. Auf keinen Fall verpassen sollte man „Weiß wie Schnee“, die aktuelle Ausstellung der 75-jährigen Künstlerin. Zu sehen sind Auszüge aus Henins erstaunlich jung wirkendem zeichnerischem Werk, an dem diese unberührt von den Moden der Kunstwelt unermüdlich arbeitet. Die ausgestellten Arbeiten sind allesamt innerhalb der vergangenen neun Monate entstanden, neben vielen weiteren. In einigen der Zeichnungen scheinen Fabelwesen aus mit einfachen Strichen aufs Papier gebrachten menschlichen Gesichtern und Körpern herauszuwachsen und Figuren zu Hybriden zu verschmelzen, die sich mit Tieren, geometrischen Elementen oder Architekturen zu Formationen sortieren, die scheinbar Machtverhältnisse visualisieren. Paul Klee könnte einem als Referenz in den Sinn kommen, doch so ganz greift der Vergleich nicht. Andere Arbeiten sind abstrakter, erinnern fast ein wenig an die Formenwelt Hilma af Klints, wieder andere in ihrer grafischen Darstellung an Plakatkunst. Henin hat eine sehr eigene Symbolsprache entwickelt. Ganz deuten lässt sie sich nie – was sie nur noch schöner macht (bis 13. 4., Mi.–Sa. 14–18 Uhr & n. Vereinbarung: info@km-galerie.com, Mehringplatz 8).
Der Schönheit antiker Skulpturen wiederum widmet sich Egor Kraft. Gewissermaßen. Er beschäftigt sich mit den spekulativen Methoden, mit denen bruchstückhafte skulpturale Fundstücke restauriert werden. Keiner kann wissen, wie die Kunstwerke wirklich ausgesehen haben; die Art und Weise, wie Lücken gefüllt werden, bleibt also eine Option unter zahllosen. Kraft treibt diese Form der Interpretation von Vergangenheit in seinen „Content Aware Studies“, zu sehen bei Alexander Levy,auf die Spitze, nutzt dafür Maschinelles Lernen und 3-D-Modelle. Auf Bildschirmen kann man sehen, wie Kraft seinen Algorithmus füttert, in den Skulpturen davor mögliche Ergebnisse, bei denen sich teils recht groteske Fehler offenbaren. Kraft hinterfragt die Potenziale künstlicher Intelligenz wie auch unser Bild von der Antike (bis 13. 4., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Rudi-Dutschke-Str. 26).
Weniger zu sehen als zu hören gibt es bei Portals, einer neuen Reihe auf Cashmere Radio. Kuratiert von Sarah Johanna Theurer finden dort performative Lesungen statt. Man kann live dabei sein, während sie über den Äther geschickt werden. Am Samstag las dort Samantha Bohatsch ihren neuen Text „Scorpio Season“, der von der Fragilität von Clubbekanntschaften handelt – nachzuhören auf: cashmereradio.com. Die nächste Folge ist bereits in Planung.
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