VIOXX-URTEIL: AUF DER ANKLAGEBANK FEHLTE DIE ARZNEIMITTELBEHÖRDE
: Der Untergang von Merck hilft niemandem

Für den US-Pharmariesen Merck & Co ist das erste Vioxx-Urteil ein schwerer Schlag. Sollten die weit über 10.000 Schadenersatzprozesse, die wegen der zum Teil tödlichen Nebenwirkungen des Medikaments noch erwartet werden, ähnlich ausgehen, würde das mit Sicherheit das Ende des Pharmakonzerns bedeuten. Bei aller Kritik an der menschenverachtenden Verkaufsstrategie des weltweit agierenden Unternehmens: Mit dem Untergang von Merck ist niemandem geholfen.

Trotzdem bleibt zu hoffen, dass die noch ausstehenden Prozesse eindeutig zugunsten der geschädigten Patienten beziehungsweise ihrer Angehörigen entschieden werden. Und die Höhe der Straf- und Entschädigungszahlungen sollte Merck & Co auch nicht einfach aus der Portokasse bezahlen können. Denn nur so ist derzeit leider zu gewährleisten, dass die Entscheidungsträger in den Konzernzentralen nicht zuallererst an Milliardenumsätze und die zufriedenen Gesichter der Aktieninhaber denken, sondern die Gesundheit der Patienten als oberste Priorität im Auge haben.

Der Vioxx-Prozess offenbart aber auch, dass ein Schadenersatzprozess allein nicht genügt, um den nächsten Arzneimittelskandal zu verhindern. Denn auf die Anklagebank gehört eigentlich nicht nur die Merck-Chefetage, sondern auch einige Entscheidungsträger der US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA). Die hätte bereits Ende 2000 erkennen müssen, dass Vioxx das Herz-Kreislauf-Risiko mehr als verdoppele, berichtete vor einigen Monaten das britische Fachmagazin The Lancet. Damals hätte die FDA das Mittel vom Markt nehmen oder zumindest die Verschreibungspraxis stark einschränken müssen.

Doch die Behörde wurde nicht aktiv. Ganz im Gegenteil, anstatt die Vioxx-Zulassung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, wurden intern kritische FDA-Mitarbeiter zum Stillhalten genötigt. Selbst nachdem Vioxx im September 2004 schon vom Markt war, wurde ein Prüfer aus der FDA-Abteilung für Arzneimittelsicherheit daran gehindert, seine für Vioxx vernichtende Daten zu veröffentlichen. WOLFGANG LÖHR