AUCH SÜSSE JURASTUDENTEN KÖNNEN IRREN: „SEXUALITÄT UND WAHRHEIT“ IST GEILER ALS „ÜBERWACHEN UND STRAFEN“
: Stille Tage in Foucault

JULIA SEELIGER

Keiner will mit mir über Foucault zum Beischlaf reden. Gut, einer bei Twitter antwortete: „lieber zum Frühstück“, was ja auch was sagt. Und ein anderer Account sagte, er habe Foucault gelesen und hatte dann keine Lust mehr auf Sex.

Tote Hose auch bei der FAS. Im März hatten die geschrieben, dass sie davon gehört hätten, dass es junge Berlin-Mitte-Menschen aus gutem Hause gebe, die „Foucault zum Beischlaf lesen“. Ich wollte von der FAS wissen, was sich dazu sagen ließe, deswegen wanderte ich ins FAZ-Haus, um mit Bild-Zeitungs-Methoden das FAS-Feuilleton zu entern, ließ mich dann allerdings vom Pförtner abweisen.

Alles begann, als ich irgendwann das Bücherregal eines Provinzwissenschaftlers betrachtete. Während meine Freundin Franzi das Kaffee-Orakel zurate zieht, wenn sie einen Menschen beurteilen will, mache ich es auf die billige Art: Bücher. Wie viele und welche sind vorhanden, wie sind sie angeordnet.

Ich entdeckte „Überwachen und Strafen“ von Michel Foucault und teilte jubilierend mit, dieses Buch hätte ich schon immer lesen wollen.

Dabei dachte ich an zwei süße Juristen-Freunde, die ich mal bei einer goldigen Unterhaltung über dieses Buch beobachtet hatte. Der Bücherregal-Besitzer sagte daraufhin, „Überwachen und Strafen“ sei sein Lieblingsbuch.

Im März noch abgestoßen durch die Beurteilung der FAS von Foucault als „langweilig“, drehte ich in den Monaten danach ab, kaufte Bücher, Bücher, Bücher und stapelte diese, nicht nur aus Distinktionsgründen, neben meinem Bett. „Überwachen und Strafen“ las ich, während ich im Jobcenter auf mein Arbeitslosengeld wartete. Es ist eher ein Buch für düstere Gestalten: Macht, Militär, Disziplin. Panoptikum.

Geiler ist da „Sexualität und Wahrheit – Der Wille zum Wissen“. Alles, was Spaß macht: Sex, Macht, Gesetze. Erziehungsanstalten und das Verschwinden der derben Sprache. Sexualität überall. Ist mir als nicht mal protestantischer Norddeutscher ein Fest, mich mal in Messdienerrituale hineinzuversetzen. Weihrauch, schöne Kleidung, klingeling. Und dann noch Sodomie! Meine Toleranz wurde erfolgreich gedehnt. Während es in „Überwachen und Strafen“ um das Gefängnis geht, dreht sich bei „Sexualität und Wahrheit“ alles um „das Geständnis“. Selbstregierung zusätzlich zur Fremdregierung. Da ist die Macht fluider, chaotischer. Ubiquitär, wie bei Meister Yoda. Möge die Macht mit dir sein. Besser als gegen dich. Da ist sie, so oder so.

Schöne Sachen schreibt Foucault da zur heterosexuellen Zweierbeziehung, zu den verschleierten Diskursen des Sexes, zur Parzellierung von Sexualität. Es ist ja schon durch das Buch „Prima leben ohne Privatsphäre“ von Christian Heller bekannt, dass man Foucault prima auf Post Privacy anwenden kann.

Mittwoch Margarete Stokowski Luft und Liebe

Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei

FreitagDavid Denk Fernsehen

Montag Maik Söhler Darum

Dienstag Daniel Schulz Schlimmer

Am Ende bin ich der Meinung, dass die Geschwätzigkeit von Post Privacy das Liebesleben kaputt macht. Die Vermessung des Unsagbaren kann nur schiefgehen.

„Bald siehst du, wenn der Schleier fällt / den blauen Himmel unverstellt / im warmen Golde fließen.“