DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Zwischen Zählen und Loben

WAS SAGT UNS DAS? In der „Rheinischen Post“ köchelt die Debatte um Spätabtreibungen hoch. Zumindest zum Schein

Das Gesetz zur Spätabtreibung sei ein Beitrag zur Klarheit und Wahrheit, sagte CSU-Politiker Johannes Singhammer der Rheinischen Post. So kommentiert er die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts, wonach späte Schwangerschaftsabbrüche im letzten Jahr stark zunahmen. Singhammer hat recht: Die 25 Paragrafen des Gesetzes verlangen seit 2010 eine genauere Dokumentation ebendieser Schwangerschaftsabbrüche. Der statistische Anstieg ist also auch Folge des Gesetzes.

Zunächst klingt Singhammers Kommentar deshalb wie eine Binse. Doch das ist falsch – denn im barschen Politikbetrieb gilt: Wenn nicht gemeckert wird, ist das schon viel. Politiker sind stets befasst mit der eigenen Stellung. Loben bedeutet die eigene Leistung einmal hintanzustellen, die Deckung zu verlassen. Deshalb sind derartige Schulterklopfer rar und mutig. Doch das Potenzial ist riesig. Vorschlag: Das Strafgesetzbuch etwa als Beitrag zu Rechtsfrieden und Harmonie in der Gesellschaft präsentieren. Lobrede im distanzierten Bürokratengewand.

Freilich bleibt das Lob im Fall des Spätabtreibungsgesetzes etwas nebulös. Denn eine inhaltliche Debatte steht derzeit gar nicht wirklich auf der Agenda. Schließlich sinkt die Zahl der Abtreibungen insgesamt seit Jahren. JOHANNES WENDT