piwik no script img

Kein Auslaufmodell

Mit einem 6:0 gegen Wolfsburg gehen der FC Bayern und seine Ex-Nationalspieler auf Augenhöhe ins Spiel gegen Liverpool

Das Gesicht des Erfolgs: Thomas Müller nach dem 4:0 Foto: dpa/Kneffl

Aus München Elisabeth Schlammerl

Einen Moment lang hatte sich Thiago um seinen kleinen Sohn Sorgen machen müssen. Thomas Müller nahm Anlauf, grätschte an dem verdutzten Kind vorbei und grinste anschließend breit. Die kleine Gaudieinlage nach dem fulminanten 6:0 des FC Bayern ­gegen den VfL Wolfsburg war nur ein Indiz dafür, dass die Laune kaum besser hätte sein können nach der Rückeroberung der Tabellenspitze. Bei allen Münchner Spielern, aber besonders eben bei Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels, die vier Tage zuvor von Bundestrainer Joachim Löw auf wenig feinfühlige Art und Weise aus der Nationalmannschaft komplimentiert worden waren.

„Ich habe einen schönen Spieltag erlebt“, sagte Müller auf dem Weg aus dem Stadion. Es war der einzige Redebeitrag des Trios. Die Ex-Nationalspieler gaben am Samstag den Kritikern dieser zum jetzigen Zeitpunkt überraschenden Löw-Entscheidung sportlich eine Handvoll Argumente. „Die Jungs“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidžić, „haben eine gute Antwort gegeben.“

Zwar bereiteten die harmlosen Wolfsburger dem Duo Hummels/Boateng nicht viel Arbeit, aber es strahlte große Souveränität aus und überzeugte mit Präsenz auch im Spiel nach vorne. Müller belebte wie schon zuletzt die Offensive der Münchner, bereitete das erste Tor durch Serge Gnabry vor und erhöhte selbst zum zwischenzeitlichen 4:0. „Wie sie es heute umgesetzt haben in positive Energie, das spricht für sie als Spieler, als Menschen und Charaktere“, sagte Trainer Niko Kovač. Dass er gleich alle drei in der Startelf aufbot, hatte sicher auch ein bisschen mit Löws Entscheidung zu tun, aber es passte wohl bestens in seine taktischen Überlegungen im Hinblick auf das Champions-League-Achtelduell mit dem FC Liverpool am Mittwoch. Während er auf die gesperrten Kimmich und Müller verzichten muss, kann Kovač auf die Rückkehr von Kingsley Coman hoffen.

Die Münchner rücken gerade die Machtverhältnisse im deutschen Fußball zurecht, zum ersten Mal seit dem fünften Spieltag liegt nicht Dortmund an der Spitze, sondern die Bayern. Und auch in Europa ist die Mannschaft kein Auslaufmodell mehr. Sie begegnet dem letztjährigen Finalisten aus Liverpool im Rückspiel auf Augenhöhe – und das vor allem dank der Routiniers, die zum richtigen Zeitpunkt in Bestform zu kommen scheinen. Aber dennoch drehte sich am Samstag vieles um die Ereignisse vom vergangenen Dienstag.

Die Münchner rücken die Machtverhältnisse in der Liga zurecht

Was die drei von ihrer Ausbootung und vor allem vom Stil des Bundestrainers halten, haben sie bereits in den Tagen danach in den sozialen Medien verkündet, weshalb sie am Samstag dazu lieber andere reden ließen. Manuel Neuer hielt sich wie gewohnt diplomatisch zurück. Er könne die Enttäuschung verstehen, sagte der Torhüter, „aber auf der anderen Seite ist der Trainer dazu da, Entscheidungen zu treffen“. Dass er als Kapitän nicht von Löw vorab informiert worden war, wie er wissen ließ („hinterher haben wir telefoniert“), ist bemerkenswert.

Hinter Müller, Boateng und Hummels stellten sich vor allem jene Kollegen, die vom Umbruch in der Nationalmannschaft eigentlich profitieren. Für Leon Goretzka ist es nicht nur eine Stilfrage. Alle drei seien „große Persönlichkeiten. Es entsteht eine Lücke, die gestopft werden muss“, sagte der Mittelfeldspieler, der vor allem eine Trotzreaktion festgestellt hat: „Mein Eindruck war, dass sie auch viel Motivation daraus gezogen haben“ – für den FC Bayern in der entscheidenden Phase der Saison.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen