Mietenwahnsinn in Berlin: Schwarm gegen Gentrifizierung
Die Menge macht’s: Der queere Sonntags-Club im Prenzlauer Berg geht mit Crowdfunding gegen eine Mieterhöhung von 1.000 Euro an.
Diesmal trifft es den Sonntags-Club in der Greifenhagener Straße: Mieterhöhung. Das deutlichste und schmerzhafteste Zeichen der Gentrifizierung in der Stadt. Der Verein, der den Anlaufpunkt für Berliner Queers in Prenzlauer Berg betreibt, soll knapp mehr als 1.000 Euro mehr Miete pro Monat zahlen – oder gehen.
„Wir haben natürlich Verhandlungen mit der Hausverwaltung geführt“, sagt Projektleiter Stefan Mehnert im Gespräch mit der taz, „und die sind auch ein ganz schönes Stück auf uns zugekommen. Aber kurz vor der endgültigen Einigung hat die Verwaltung einen Rückzieher gemacht.“ Alle fünf Jahre muss der Sonntags-Club neue Verhandlungen um eine Mietverlängerung mit den Eigentümern führen.
Der Hausverwaltung die Schuld zuschieben – das will das Sonntags-Team aber nicht. Denn vergleichbare Räume in Prenzlauer Berg fangen mittlerweile bei rund 16 Euro pro Quadratmeter an. Der Sonntags-Club kommt selbst nach der Mieterhöhung mit knapp 12 Euro Quadratmeterpreis davon. Bisher zahlt er rund 2.000 Euro für die Räume. „Wir müssen mit dieser Mieterhöhung ab sofort rund 1.000 Euro im Monat mehr bezahlen – und das schmerzt uns natürlich“, rechnet Mehnert vor.
Immerhin: Für Dirk Behrendt (Grüne) und seinen Senat für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung ist der Sonntags-Club ein „wichtiges Handlungsfeld“ und ein „seit Langem zuverlässiger Kooperationspartner“ bei der Umsetzung der Antidiskriminierungs-Strategie des Landes Berlin.
So fördert auch die „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ beim Senat seit 1990 das größte Projekt des 1973 noch in der DDR gegründeten Sonntags-Clubs: die psychosoziale Beratung für Trans*-Menschen.
Das Wohlwollen seitens des Berliner Senats ist also groß – da wundert es nicht, dass sich Verwaltung und Club-Vorstand schnell einig wurden, dass 60 Prozent der höheren Miete durch zusätzliche öffentliche Förderung bezahlt wird.
„Auch uns ärgert, dass die finanziellen Herausforderungen, denen sich der Sonntags-Club – aber auch andere Vereine – derzeit gegenübersehen, leider auch eine Folge des nach wie vor zögerlichen Vorgehens des Bundesgesetzgebers gegen steigende Mieten insgesamt sind“, sagt dazu Antidiskriminierungssenator Dirk Behrendt auf Anfrage der taz.
Trotz dieser Unterstützung von Seiten der Politik: Die Förderung allein reicht nicht, um die gestiegene Miete zu bezahlen. „Wir möchten einfach gerne in vier Jahren unseren fünfzigsten Geburtstag feiern“, erklärt Projektleiter Mehnert. Um aber zumindest dieses und nächstes Jahr weitermachen zu können, braucht das Team im Sonntags-Club – trotz der Unterstützung durch den Senat – exakt 7.854 Euro mehr, wie der Club auf seiner Website verlauten lässt.
So klingt es beim Sontags-Club ähnlich wie die Geschichte des Szenelokals „Hafen“ in Schöneberg – auch deren Betreibern war eine Mietverlängerung abhanden gekommen, weil sie die höhere Miete nicht stemmen können. Hier aber hat der Hausbesitzer erst mal eine einjährige Gnadenfrist gewährt, weil der öffentliche Druck durch Protestaktionen und Positionsbekundungen vieler Politiker*innen hoch war.
Der Sonntags-Club geht einen anderen Weg. Der Vorstand, der den Club betreibt, will die fehlenden 7.854 Euro bis Ende Mai per Crowdfunding zusammensammeln. Das Team setzt hier auf Spenden und Belohnungen: In verschiedenen Stufen zwischen 15 und 500 Euro verspricht das Team entweder ein herzliches Dankeschön oder eine persönliche Einladung zum Crowdfunding-Abschlussfest inklusive freiem Buffet.
Und das scheint zu funktionieren: Unterstützer*innen spendeten bislang bereits über 6.000 Euro für die Arbeit.
„Ich persönlich schließe trotzdem nicht aus, dass wir irgendwann noch mal die Räume wechseln oder wechseln müssen“, sagt Projektleiter Mehnert. „Deswegen schauen wir parallel nach neuen Räumen und sind auch mit dem Bezirk Pankow im Gespräch. Wir werden aber sicher nicht heute oder morgen umziehen.“
Zumindest den Fünfzigsten aber sollten Team und Unterstützer*innen wahrscheinlich sogar in Prenzlauer Berg noch feiern können.
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