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Real Madrid gegen FC BarcelonaAlles sehr irreal

Der FC Barcelona schlägt in Madrid Real mit 3:0 und steht im Pokalfinale. Am Samstag gibt es ein neues Clásico. Die Demütigung könnte weitergehen.

Reals Kampf mit der Selbstachtung muss ganz tief ansetzen Foto: reuters

Madrid taz | Es gab sie, die Szenen der Wut. „Florentino, dimisión“, rief eine Gruppe vom Oberrang des Estadio Santiago Bernabéu, und mit derselben Forderung nach einem Rücktritt von Vereinspräsident Pérez versammelte sich später noch mal ein Häuflein vor dem VIP-Ausgang. Doch alles in allem hatten die Anhänger von Real Madrid nicht mal mehr die Kraft, sich über den Mann aufzuregen, der Cristiano Ronaldo verkaufte. Die Fans begegneten der Schmach schweigend mit Schweigen und Resignation. Zu deprimierend waren neben der miserablen Chancenverwertung von Ronaldos Nachfolgern auch viele andere Umstände dieses 0:3, das den FC Barcelona nach dem 1:1 vom Hinspiel ins spanische Pokalfinale brachte.

Vom „Camp Bernabéu“ schrieb Marca am nächsten Tag, in Anlehnung an Barcelonas Stadion Camp Nou. Zehn der letzten 17 Auswärts-Clásicos hat Barça gewonnen, ein in der langen Geschichte dieser Fehde ungesehenes Wohlbefinden auf fremdem Platz. Kapitän Sergio Ramos schreckte sein auseinanderfallendes Team nach dem Treffer zum 0:3 mit den Worten auf: „Vamos, sonst schenken sie uns sechs Stück ein.“

Die unheilvolle Serie zu brechen, mal wieder nicht gegen Barça zu verlieren – zumindest darum geht es nun am Samstag, wenn beide Teams in der Liga wieder an selber Stelle aufeinandertreffen. Um den Stolz, die Selbstachtung dieses großen Klubs. Und um den letzten Rest Betriebsfrieden.

„Wir sind ehrenvoll gefallen“, formulierte Trainer Santiago Solari, was über weite Strecken stimmte, denn Madrid hatte den besseren Fußball gezeigt, gar „fantastisch gespielt und die beste erste Halbzeit der ganzen Saison“ gespielt, wie Mittelfeldspieler Casemiro fand. Aber das machte es ja nur noch schlimmer. Wenn man nicht mal mehr solche Spiele gewinnt, welche dann?

Dafür lederten die Experten los, Ex-Trainer Bernd Schuster etwa in pointierter Radio-Einzelkritik. Toni Kroos? „Derzeit ein Dieseltraktor, in Madrids Mittelfeld herrscht niemand.“ Weltmeister Raphael Varane? „Ein Schatten seiner selbst, immer steht er falsch.“ Rechtsverteidiger Dani Carvajal? „Er hat die Schuhe von Arbeloa an.“ Álvaro Arbeloa war einer der talentfreieren Außenbahnspieler der Klubgeschichte.

Die Sehnsucht nach dem Neuen

Drei Säulen des Champions-League-Tripels zwischen 2016 und 2018 als Sündenböcke. Dafür wurde der Nachwuchs in den Medien gefeiert, Linksverteidiger Sergio Reguilón und der 18-jährige Außenstürmer Vinícius, der so brillant Gefahr erzeugte, wie er die Chancen letztlich haarsträubend verschluderte. Die Jungen erfüllen eine Sehnsucht nach dem Neuen, so ist es ja oft. Doch sie gewinnen noch keine großen Spiele, jedenfalls nicht die von Real.

Beim FC Barcelona sah das an diesem Abend etwas anders aus, denn Ousmane Dembélé ist ja auch erst 21. Im Vorfeld wurde er wegen seiner Schnelligkeit und Unvorhersehbarkeit als Barças Spezialwaffe angekündigt, und als es darauf ankam, lieferte er. Zweimal kam er in den Rücken der Madrider Abwehr, zweimal schickte er perfekte Vorlagen in die Mitte zu Luis Suárez. Der Uruguayer nutzte die erste zum 0:1 (50.), bei der zweiten kam ihm Varane per Eigentor zuvor (69.). Ein gelupfter Panen-Elfmeter gegen ein bereits demoralisiertes Madrid rundete Suárez’ Abend ab, derweil auch Marc-André ter Stegen mit einer Glanzparade gegen Reguilón beim Stand von 1:0 seinen Teil zu Barças Effizienzhoheit beisteuerte.

Wie unaufgeregt er Dembélé bei allem Lärm über seine Disziplinprobleme zurück in die Mannschaft integrierte, gehört zu den Leistungen des unscheinbaren Barça-Trainers Ernesto Valverde. Noch vor der Winterpause stand der ehemalige Dortmunder wegen durchzockter Nächte und verpasster Trainings am Scheideweg. Inzwischen gibt er fast schon wie einst Neymar den Edeladjutanten von Lionel Messi, den es braucht, damit Barças Angriffsspiel nicht zu berechenbar wird und sich der Argentinier auch mal eine Schaffenspause gönnen kann. So wie am Mittwoch: Messi war an keiner entscheidenden Spielszene beteiligt. Noch etwas, das es für Real so bitter aussehen ließ.

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