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Süße Wiederentdeckung

Vor dem Siegeszug der Kartoffel war die Pastinake hierzulande Grundnahrungsmittel. Unsere Autorin mochte sie erst nicht und hat sich langsam herangearbeitet

Pastinake mit Bauchnabel (l.), Petersilie mit Wölbung am Kopf (r.) Foto: Lisa Shoemaker

Von Lisa Shoemaker

Manchmal gelingt einem lange vernachlässigten Gemüse das Comeback. Gerade ist das bei der Pastinake der Fall. So rechnet das Pressebüro „Deutsches Obst und Gemüse“ vor, dass die Erzeuger 2017 beinahe dreimal mehr Pastinaken abgesetzt haben als im Vorjahr, insgesamt etwa 6.000 Tonnen. Davon kauften Privathaushalte rund 2.900 Tonnen, und 231 Tonnen wurden allein von Hipp zu Babynahrung verarbeitet. Durch ihre natürliche Süße kommt die Pastinake bei Babys gut an.

Ich kenne mich aus mit Pastinaken. Jahrelang habe ich mich bemüht, eine Bindung zu ihnen zu entwickeln. Ich mochte sie nicht. Da sie jedoch oft in unserer Gemüsekiste lagen, mussten sie verarbeitet werden. Hatte ich wenig Zeit, landeten sie in der Gemüsesuppe. Um sie optisch von Petersilienwurzeln unterscheiden zu können, schnitt ich sie anders, damit ich sie erkennen und auf den Teller meines Partners platzieren konnte, der sie liebt. Er ist nämlich Engländer.

Wie aber unterscheidet man Pastinake und Petersilienwurzel in ihrer Rohform? Manche meinen, es an der Größe festmachen zu können: Die großen, dicken sind die Pastinaken, die kleinen, schlanken die Petersilienwurzeln. Das trifft oft zu, aber nicht immer. Gelegentlich gibt es große Petersilienwurzeln und feine, dünne Pastinaken. Da sie im Bioladen meist nebeneinanderliegen, werden sie manchmal von achtlosen Kunden in die falsche Kiste zurückgeworfen. Ich verbringe regelmäßig Zeit damit, sie auseinanderzusortieren, um anderen Pastinakenskeptikern Pein zu ersparen. Dabei sind sie leicht am dicken oberen Ende der Wurzel zu erkennen: Während die Petersilienwurzel sich zum Blattansatz hin verjüngt, hat die Pastinake eine Art Bauchnabel, offiziell nennt sich das „einfallender Laubansatz“. Die Petersilienwurzel wird in der Literatur als „am Kopf gewölbt“ beschrieben, aber eine Wölbung stelle ich mir anders vor.

Auf meiner Suche nach Rezepten fragte ich bei Ökobauern herum. Die strahlten, man könne köstliche Pastinaken-Curry-Suppen zubereiten! Hatte ich doch längst getan. Und ja, sie ergibt eine schön cremige Suppe und schmeckt darin erträglich, da das Curry den Eigengeschmack der Wurzel völlig übertüncht. Doch wollte ich sie um ihrer selbst willen lieben!

Einzig Alan Davidson, Begründer des Oxford Symposium of Food, schien meine Skepsis zu teilen. In seinem Oxford Companion to Food drückte er es englisch-vornehm aus: Die Pastinake schmecke „peculiar“ – eigenartig – und sei nicht „to everyone’s liking“ – treffe nicht jeden Geschmack.

Rezept: Geröstete Pastinaken

Kleinere Pastinaken auswählen, schälen, längs vierteln und dicht gedrängt in eine Auflaufform legen. Knoblauchzehen. Zweige von Rosmarin und Thymian untermischen. Olivenöl mit Salz verrühren, ebenfalls untermischen. Bei 180° C in den Ofen, nach 20 Minuten wenden. Im Ofen lassen, bis die Pastinaken weich sind. In einem kleinen Topf Essig und Ahornsirup im Verhältnis 2:1 aufsetzen, geriebenen Ingwer zugeben, aufkochen und um mindestens die Hälfte reduzieren. Damit die Pastinaken in einer Pfanne glasieren. (ls)

Einig sind sich alle, dass die Pastinake süß schmeckt, besonders dann, wenn sie beim ersten Frost noch im Boden war. Im Mittelalter nahm man sie zum Süßen, denn Zucker und Honig waren rar und teuer. Bevor die Kartoffel sich durchsetzte, zählte sie zu den Grundnahrungsmitteln. Bereits die Römer schätzten die Wurzel. Allerdings berichten Historiker, dass das Wort pastinaca wahrscheinlich auch für die mit ihr verwandte Karotte verwendet wurde – die waren damals übrigens noch weiß, gelb oder vio­lett, jedenfalls nicht orange. Der römische Feinschmecker Apicius ließ sie mit Wein und Kümmel zubereiten.

In England ist die Pastinake nie ganz von der Speisekarte verschwunden. Mir hat in kulinarischer Hinsicht Dorothy Hartley weitergeholfen. Sie schrieb bereits 1954 in ihrem faszinierenden Werk „Food in England“, dass Pastinaken am besten zum Braten passen, aber auch eine Affinität zu Süßem und zu Gewürzen haben. Das kann ich nur bestätigen: Ziemlich gut sind karamellisierte Pastinaken mit Honig und geriebenem Ingwer oder aber mit Ahornsirup und Senf.

Die Kombination mit Kartoffeln bekommt ihr gut. Beliebt sind Pürees und Röstis. Dazu werden Kartoffeln und Pastinaken geraspelt und zu einem Pfannkuchen gebraten. Und während ich hier sitze und schreibe, knabbere ich Gemüse-Chips. Mit Pastinake. Was soll ich sagen: sehr lecker und gar nicht „peculiar“.

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