Einkaufsgeschichten
: Hamwa nich

Was machen die BerlinerInnen durchschnittlich 18 Minuten am Tag, umgerechnet also neun Monate ihres Lebens? Sie decken sich mit Tütensuppe, Bananen und Klopapier ein. Genau, BerlinerInnen gehen einkaufen.

Nun können sie diese alltägliche Angelegenheit sogar mit kulturellem Anstrich versehen. Eine Ausstellung im Freilichtmuseum Domäne Dahlem lädt zum Einkaufen ein. Zur Zeitreise durch 200 Jahre der Besorgungen des täglichen Bedarfs führt eine steile Treppe. Oben angekommen steht man im engen, dunklen Kolonialwarenladen. „Dingeling“ – die schwere Holztür öffnet sich: Hinter der Theke steht das „Fräulein Verkäuferin“ und lächelt. Leider nur als Foto. Dafür sind die Waren in den Regalen echt. Neben dem Riesenglas mit Bouillonwürfeln türmt sich eine Zwiebackdose, schätzungsweise einen halben Meter hoch. Daneben überdimensionale Kakaoschachteln mit dem Mohren, gegenüber die Waage und das Anschreibebuch. Die Enge bedrückt.

Mehr Luft bringt der nur ein paar Schritte entfernte Jahrhundertwechsel: Am SB-Laden vorbei, der zunächst als „unvereinbar mit der deutschen Mentalität“ galt und trotzdem die süßen Produkte des Doktors aus Bielefeld verkaufte, geht es zum Bioladen, auf dessen Regalen „Stoppt Strauß“ und „Frieden wählen“ kleben und die neben Hirse und Co auch die obligatorischen Birkenstock nicht vermissen ließen. In der DDR-Einkaufsecke „Ham wa nich“ blinkt der knatschrote Einkaufsbeutel mit dem Slogan „Plaste und Elaste aus Schkopau“. Der ständige Begleiter der Ostdeutschen konnte per Ventil aufgeblasen und als Kissen genutzt werden, wenn die Schlange mal wieder zu lang war.

Vom Sozialismus führt der Einkaufsweg direkt in die Zukunft: Im Future Store steht der Super-Einkaufswagen. Er stellt per Farbdisplay aktuelle Sonderangebote vor, navigiert den Weg durch die Regale und rechnet die vom Einkäufer selbst eingescannten Produkte zusammen. Die Kassiererin ruft an der Kasse den Betrag nur noch ab. „How does it work“, fragt ein junger Engländer im Yuppie-Anzug. „Bei Problemen wenden Sie sich an die Mitarbeiter“, liest eine weiß gelockte Dame vom Display ab. „Ein paar Menschen gibt’s ja noch“, scherzt sie.

Als sie bei Bios Einkaufswagen angelangt ist – nein, kein ökologischer, sondern der Wagen, mit dem die Ausstellungsmacher Alfred Biolek beim Einkaufen begleitet haben – ruft sie erstaunt: „Mensch, der hat ja auch nur das normale Sonnenblumenöl, kein natives Dingsbums. Und Mehl von der Discount-Marke!“ Doch Bio hat auch Delikatessen von Lafayette im Wagen. Mediterrane Olivenpaste, Orichietti, Dijon-Senf … Das Wasser läuft im Mund zusammen, und man tut das, was man eh 18 Minuten am Tag macht. ALEXANDRA MÜLLER

Die Ausstellung im Freilichtmuseum Domäne Dahlem (U 3 Dahlem-Dorf) ist täglich außer dienstags von 10–18 Uhr geöffnet. Infos auch unter www.einkaufen-ausstellung.de