: Trickreiche Buckelwale
Die Meeressäuger lassen sich von Seevögeln zeigen, wo die großen Heringsschwärme sind
Von Jörg Zittlau
Buckelwale gehören bekanntlich zu den klügeren Säugetieren. Was sich unter anderem auch daran zeigt, dass sie die Umwelt beobachten und daraus ihre Schlüsse ziehen können. Ihre neueste Entdeckung: Man kann Vogelschwärme dazu benutzen, sich den Bauch mit Fischen vollzustopfen.
Mit den siebartigen Barten im Maul sind Buckelwale (Megaptera novaeangliae) eigentlich dafür ausgerüstet, die winzigen Krebstierchen des Krills aus dem Ozean herauszukeschern. Doch zwischen August und November, wenn sie in den kalten Polarmeeren leben und die Weibchen schwanger sind, werden sie extrem hungrig – und dann machen sie sich auf die Jagd nach nahrhaftem Hering.
Dabei können sie bekanntermaßen sehr erfinderisch sein. Beispielsweise, indem sie Blasenstrudel aus ihren Atemlöchern emporsteigen lassen, um den Heringsschwarm einzukesseln. Eine weitere Fangmethode beschreibt jetzt die kanadische Meeresbiologin Christie McMillan bei Buckelwalen, die vor der Küste von Vancouver Island leben.
Diese Tiere beobachten offenbar die Vogelbewegungen oberhalb des Wasserspiegels, und wenn sie dann sehen, dass sich irgendwo größere, laut kreischende Möwenschwärme bilden, schwimmen sie gezielt dorthin. Denn der Meeressäuger kann sicher sein, dass sich dann an dieser Stelle ein Heringsschwarm befindet.
Dort angekommen dreht er sich in die Senkrechte, dicht unterhalb der Wasseroberfläche. Ohne Regungen, aber dafür mit weit geöffnetem Maul. Die Fische, aufgescheucht durch die jagenden Möwenschwärme, suchen nach einem ruhigen und sicheren Zufluchtsort, und den wähnen sie im sperrangelweiten Maul des Buckelwals.
Die Folge: Sie schwimmen dutzendweise hinein. „Und wer von ihnen noch zögert, den dirigiert der Wal mit einem behutsamen Wedeln der Brustflossen hinein“, erläutert Christie McMillan.
Die Vögel jenseits des Wasserspiegels zu beobachten, das Verhalten des Fischschwarms zu berechnen und dann noch geduldig in der Senkrechten zu warten – der neue Fangtrick belegt, wie kognitiv hoch entwickelt die Buckelwale gleich auf mehreren Ebenen sind.
Die Meeresbiologin McMillan und ihr Forscherteam entdeckten ihn erstmals im Jahre 2011, bei zwei Walexemplaren. Vier Jahre später sah man bereits 16, die ihn beherrschten. Was dafür spricht, dass ihn sich die Tiere untereinander beibringen. Oder anders ausgedrückt: Der Trick hat es ins Curriculum der Buckelwalschule geschafft.
Bleibt die Frage, worin der Vorteil der neuen Fangmethode gegenüber dem klassischen Überfall besteht, bei dem der Jäger immer wieder mit weit aufgerissenen Maul durch den Heringsschwarm prescht. Die Antwort: Sofern der Wal erst einmal an der Fangstelle ist, kostet ihn das bloße Verharren in der Senkrechten viel weniger Energie.
„Und deswegen bietet sich diese Methode insbesondere an, wenn der Heringsschwarm klein ist und die Beute entsprechend spärlich ausfallen wird“, ergänzt McMillan. Nach dem Muster: Wenn es wenige Kalorien gibt, sollte man auch nicht zu viele Kalorien verbrennen, um sie zu bekommen. Was freilich keine besondere Einsicht der Wale darstellt, sondern das Handeln praktisch aller Tiere bestimmt. Denn die Evolution lässt nur den überleben, der nicht mehr Kalorien verbraucht, als er fressen kann.
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