KIM TRAU POLITIK VON UNTEN
: Völlige Selbstüberschätzung

Vor zwei Wochen kandidierte ich für das europäische Lenkungskomitee eines Dachverbandes von Trans*Leuten

Vor zwei Wochen war ich in Dublin. Der Anlass war der European Transgender Council, eine Konferenz von und für Trans*Aktivist_innen aus ganz Europa und auch darüber hinaus. Veranstaltet wird das alle zwei Jahre von Transgender Europe, einer Dachorganisation, die sich der Vertretung von Trans*Leuten auf europäischer Ebene verschrieben hat, in Zusammenarbeit mit einer Organisation vor Ort. Es war nicht das erste Mal, dass ich an einem solchen Council teilgenommen habe. Ich war dabei, als er 2008 in Berlin und 2010 in Malmö stattfand.

Jede Teilnahme steht für mich für eine andere Etappe meiner Entwicklung: Der Council vor vier Jahren war die Motivation für mich, dass ich mich das erste Mal nach außen erkennbar als Frau aus dem Haus wagte. Ich weiß noch genau, dass es sehr warme Tage waren – als hätte ich nicht schon der Aufregung wegen genug zu schwitzen gehabt. Aber alles lief gut und die nächsten Monate über begann ich, Kleidungsstück für Kleidungsstück, von männlich auf weiblich umzustellen.

Zwei Jahre später fuhr ich nach Malmö, nun als Leiterin der transzeit, der damaligen Gruppe für Trans*Jugendliche bei Lambda Berlin-Brandenburg und als dessen ehemalige Landesbeirätin. Viel hatte sich bei mir auch privat getan. Ich hatte meinen Bachelorabschluss in der Tasche und meine erste OP hinter mir. Wieder zwei Jahre später nähere ich mich dem Ende meines Masterstudiums und habe ein Jahr in Uppsala, Schweden, gelebt.

Doch noch etwas anderes ist passiert, vorletztes Wochenende in Dublin. In einem Akt vollkommener Selbstüberschätzung oder – optimistischer ausgedrückt – in dem Bewusstsein, mich einer neuen Herausforderung stellen zu wollen, kandidierte ich für das Steering Committee (Lenkungskomitee) von Transgender Europe. „Kim goes European“, habe ich mir wohl gedacht. Gefühlt habe ich mich bei der Verkündung des Wahlergebnisses dann auch wie beim Eurovision Song Contest bei der Punktevergabe. Es war und blieb spannend bis zum Schluss und ich rechnete schon damit, nicht gewählt worden zu sein. Doch es kam anders und ich wurde das siebte und letzte Mitglied des Steering Committees.

Meine Freude darüber war natürlich groß, aber da ist auch eine gehörige Portion Respekt gegenüber dem Amt und den Aufgaben, die ich mir damit angelacht habe. Ich hoffe sehr, dass ich die Erwartungen in mich erfüllen kann, ohne dabei Job und Studium aus den Augen zu verlieren, von Freund_innen und Freizeit mal ganz abgesehen. Andererseits bekommt mein Interesse für Trans*Themen jetzt einen Namen beziehungsweise eine Form, die es nicht nur sichtbar macht, sondern die auch anderen helfen soll.

Und zu tun ist nicht gerade wenig. Die Lage vieler Trans*Leute ist erschreckend schlecht. Sei es juristisch wie in Irland, wo es noch immer nicht möglich ist, sein rechtliches Geschlecht ändern zu lassen, sei es die mangelnde Kostenübernahme geschlechtsangleichender Maßnahmen etwa auf Malta, oder auch ganz existenziell hinsichtlich der vielen Morde an vor allem Trans*Frauen in der Türkei. Nur gemeinsam haben wir eine Chance, das zu ändern.

Die Autorin studiert Geschichte in Berlin Foto: privat