Sollen Männer Feministen sein?
JA

GLEICHBERECHTIGUNG Frauen verdienen weniger, sexuelle Gewalt trifft sie öfter, in Vorstandsetagen sind sie unterrepräsentiert. Vielleicht wäre es besser, wenn Männer sie mehr unterstützten

Die sonntaz-Frage wird vorab online gestellt.

Immer ab Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante Antwort aus und drucken sie dann in der sonntaz.

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Sibylle Plogstedt, 66, ist Soziologin und Mitgründerin der Frauenzeitschrift „Courage“Menschenrechte haben kein Geschlecht. Die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm war überzeugt davon, die neue Frauenbewegung nicht. Sie wich damit von älteren Frauenbewegungen ab – etwa der, die für Frauenbildung und der, die für das Frauenwahlrecht kämpfte. Sie wich ab, weil sie das Thema Gewalt gegen Frauen aufgegriffen hatte. Um dieses Tabu zu brechen, brauchte es den männerfreien Raum. Trotzdem können sich Männer aktiv für gleichen Lohn einsetzten oder für die Quote in Medien und Aufsichtsräten. Täten sie es, wäre viel gewonnen. Und wenn männliche Feministen sich weltweit für die Menschenrechte von Frauen einsetzten, würde klar: Frauenrechte haben zwei Geschlechter. Und die doppelte Chance, die Diskriminierung von Frauen zu beenden.

Elke Ferner, 54, ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer FrauenFeministin sein heißt für mich: Streben nach Gleichstellung für Frauen und (!) Männer. Es geht darum, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen und alte Rollenbilder zu überwinden. Gleichstellung der Geschlechter heißt nicht nur gleiche Augenhöhe im Beruf, beim Einkommen, der Karriere, der Verteilung von Macht, sondern auch partnerschaftliche Teilung der familiären Sorge. Jeder Mann, der diese Ziele aktiv unterstützt, ist willkommen! Wenn Väter ihren Arbeitgebern klarmachen, dass es Lebensphasen gibt, in denen sie mehr Zeit für die familiäre Sorge brauchen, hilft das auch den Frauen. Um die männliche Gesellschaft zu überwinden, brauchen wir weniger pseudomoderne Antifeministinnen wie etwa Kristina Schröder und mehr echte Feministen!

Gisela Notz ist Soziologin und ehemalige Bundesvorsitzende von Pro FamiliaEs gab und gibt ganz verschiedene Feminismen, die sich teilweise auch widersprechen. Als kritische Feministin meine ich einen Feminismus, der die kapitalistisch-patriarchalisch geprägte Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in den Mittelpunkt der Kritik stellt und Handlungsstrategien hin zu einem gleichwertigen Miteinander verschiedener Geschlechter entwickelt. Dazu gehören feministische Gegenöffentlichkeiten ebenso wie Vorstellungen für eine andere Welt ohne soziale und geschlechterspezifische Ungleichheit, ohne Ausgrenzung Fremder und ohne Kriege und Gewalt. Ein Feminismus mit vielfältigen Kampagnen für den gesellschaftspolitischen Wandel hin zu einem besseren Leben – weltweit. Ohne eine Anbindung an die feministische Praxis sind feministische Theorien für die Katz. Wenn Männer ein solches Begehren teilen, können sie Feministen sein und sollen es auch.

Markus Barenhoff, 31, ist stellvertretender Bundesvorsitzender der PiratenparteiDas „Feminin“ im Feminismus steht erst mal für „das weibliche Geschlecht“. Aber geht es nun darum, sich mit jenen Tieren zu beschäftigen, die sich von ihren Artgenossen durch die größeren Geschlechtszellen unterscheiden, also um ein biologisches Thema? Oder geht es um jene Menschen, die sich einem gewissen Geschlecht zugehörig fühlen, was oft, aber nicht zwingend, dem biologischen Geschlecht entspricht? Oder geht es um die geschlechtsdeterminierten Rollen in einer Gesellschaft? Die Auseinandersetzung mit Feminismus hat bei mir zu einem größeren Bewusstsein geführt, (selbst-)kritisch nachzuhaken, was genau gemeint ist. Ich lege jedem ans Herz, sich mit dem Feminismus auseinanderzusetzen und wenn auch nur für eine Zeit, selbst Feminist zu werden – und das unabhängig vom biologischen Geschlecht.

NEIN

Meredith Haaf, 29, ist Mitgründerin des feministischen Blogs maedchenmannschaft.netMänner sollen einfach aufhören, Frauen zu schlagen, Frauen zu vergewaltigen, Frauen zu ermorden, Frauen wirtschaftlich und körperlich und seelisch auszubeuten und ihnen ihre Rechte und ihre Freiheit zu verweigern, und wenn sie schon dabei sind, sollen sie auch aufhören mit sexistischen Witzen, Bemerkungen und Verhaltensweisen, und außerdem damit, Feministinnen in ihrer Arbeit zu behindern und zu beschimpfen. Das reicht mir schon, sie brauchen deswegen ja nicht gleich Feministen werden. Es wäre auch ein bisschen viel verlangt, schließlich geht Feminismus einher mit dem Abbau herkömmlicher Männlichkeit und männlich dominierter Strukturen und mit all ihren Bonusprogrammen. Frauen hingegen sollten unbedingt Feministinnen sein.

Gregor Gysi, 64, Rechtsanwalt und Mitglied der Linksfraktion im BundestagMänner können in der Regel keine Feministen sein, ich kenne nur eine Ausnahme – mich selbst.

Gerrit Großkopf hat die sonntaz-Frage auf der Facebookseite der taz beantwortet

Ich halte den Begriff „Feminismus“ für das Ziel der Gleichberechtigung für falsch. Sicher sollten den Frauen die gleichen Chancen zustehen wie den Männern, doch zwischen Männern und Frauen zu differenzieren ist meiner Meinung nach schlicht falsch. In der Schule passiert es schon heutzutage, dass dem weiblichen Geschlecht ein ungerechter Vorteil gegeben wird. Und wenn eine Frau einen Mann schlägt, wird er kritisiert, weil er sie aufgeregt hat. Schlägt ein Mann eine Frau, wird er kritisiert, weil er sie verletzt hat.

Thomas Gesterkamp, 54, ist Politologe und schreibt über Männlichkeit, Arbeit und KriseIch finde die Bezeichnung „Feminist“ für Männer unpassend. Die Frauenbewegung war notwendig und hat viel erreicht, gleichzeitig gibt es immer noch Handlungsbedarf. Selbstverständlich bin ich für gleiche Bezahlung und für eine gesetzliche Quote in der Privatwirtschaft. Männer sollten jedoch selbst und unabhängig von Frauen eigene Ideen entwickeln, wie sie leben wollen. Dazu gehört auch, die Nachteile der eigenen Rolle zu thematisieren – etwa die niedrigere Lebenserwartung von Männern, die Probleme mancher (nicht aller) Jungs in der Schule, die familiäre Randständigkeit von Vätern durch ihre Devise „Hauptsache Arbeit“.

Klaus Söndgen hat die Frage zum Streit der Woche auf taz.de kommentiert Männer sollten keine Feministen sein, sie sollten aber auf jeden Fall eine profeministische, antisexistische, antimisogyne Haltung haben und die weibliche Perspektive immer in ihre Sicht auf die Welt mit einbeziehen. Man/frau mag das als feministisch betrachten. Ich dagegen tue es nicht. Sollen die Frauen denn alles alleine machen? Uns Männern vielleicht auch noch das korrekte Weltbild frei Haus liefern? Nein, so einfach dürfen wir uns diese Sache nun wirklich nicht machen. Ich wünsche mir von uns Männern eine eigene emanzipatorische Einstellung und Haltung die sich abgrenzt von antifeministischen Verschwörungstheorien („Männerrechtler“), die sich aber auch nicht aus Bequemlichkeit an die Feministinnen anbiedert oder im Umgang mit Frauen gar den Feministenbonus auszuspielen versucht.