„Unser Marketingtrick funktioniert“

Marco Klemmt hat Stadtkaffee 2004 in Oldenburg eingeführt. Damit würden vor allem Neukunden angesprochen, der Umsatz von fairem Kaffee habe sich seither verdoppelt. Berliner sollten den Mut haben, zu starten, auch ohne Konsens

taz: Herr Klemmt, braucht Berlin einen Stadtkaffee?

Marco Klemmt: Das ist eine schöne Frage, die wir uns in Oldenburg gar nicht gestellt haben.

Oldenburg brauchte also keinen Stadtkaffee?

Wir haben uns nicht gefragt, ob Oldenburg einen Stadtkaffee braucht, sondern wir haben uns gefragt: Wie können wir die Kaffee-Kleinbauern in Mexiko am besten unterstützen? Daraufhin haben wir den Oldenburg-Kaffee eingeführt.

Wie funktioniert das Projekt des Oldenburg-Kaffees genau?

Der Verband Entwicklungspolitik in Niedersachsen (VEN) plante vor gut drei Jahren die Einführung von Städtekaffees. In Oldenburg haben sich dann verschiedene NGOs zusammengetan. Die ökonomische Keimzelle ist aber der Weltladen Oldenburg. Er kauft den Kaffee vom Importeur und beliefert lokal 25 Verkaufsstellen: Kirchengruppen, Weltläden, Bioläden, Supermarktketten, Bäckereien, Buchhandlungen, ja sogar Fleischereien.

Wie wurde das Projekt angenommen?

Die OldenburgerInnen kaufen wie verrückt. Unser Absatzziel war es, in drei Jahren 5 Tonnen zu verkaufen. Nach nur einem Jahr sind es aber schon über 3 Tonnen. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, Oldenburg hat auf diesen Kaffee gewartet. Aber man könnte das fast vermuten.

In Berlin gab es in der Vergangenheit Probleme bei der Einführung eines Stadtkaffees – auch finanzieller Art. Was sind die Erfolgsfaktoren in Oldenburg?

Dort wird fairer Handel groß geschrieben. Auch unsere Finanzierung lief gut: zum einen über Drittmittel der Bingo-Lotterie, zum anderen über Sponsoren, die Stadt Oldenburg und die Evangelische Landeskirche. Zudem funktionierte unser Marketingtrick, den Kaffee mit dem Stadtnamen zu verbinden. Statt eines eher anonymen „Café Organico“ kaufen die OldenburgerInnen jetzt Oldenburg-Kaffee.

Aber liegt da nicht gerade der Knackpunkt? Verdrängt solch ein Stadtkaffee nicht bloß die anderen fairen Kaffees?

Die Erfahrung zeigt uns: Es tritt genau das Gegenteil ein. Der faire Kaffeeumsatz hat sich bei uns verdoppelt. Das liegt an den Neukunden, die gezielt den Oldenburg-Kaffee kaufen. Stammkunden allerdings halten in der Regel an ihrem Lieblingskaffee fest.

Was sagen Sie zu Kritikern, die Ihrer Stadtkaffee-Idee ein veraltetes 80er-Jahre-Öko-Image nachsagen?

Ich finde es eine sehr moderne Idee. Wir verbinden politische Arbeit mit konkreter ökonomischer Unterstützung der Kaffee-Kleinbauern. Wir bedienen uns dafür eines modernen Marketings, was ich nicht verwerflich finde. Die intensive Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, die wir dank des Oldenburg-Kaffees machen können, hätte ohne den Kaffee in dem Umfang wahrscheinlich gar nicht stattgefunden. Außerdem entsprechen unsere modernen, sachlich-nüchternen Kaffeetüten überhaupt nicht dem Öko-Image.

Wie schätzen Sie die Zukunft des Stadtkaffees für Berlin ein?

Das, was in Oldenburg funktioniert, muss nicht in einer so großen Stadt wie Berlin funktionieren. Aber vielleicht sollten die Berliner den Mut haben, einfach loszustarten. Auch ohne einen Konsens aller Beteiligten. Denn natürlich kann ich mir vorstellen, dass es in Berlin mit den vielen historisch gewachsenen lokalen Rivalitäten schwierig sein wird, alle unter eine „Kaffee-Tüte“ zu bekommen.

INTERVIEW: ALEXANDRA MÜLLER