Lokal denken, global handeln

Ein Berlin-Kaffee soll den Absatz fair gehandelter Bohnen fördern. Doch die Basisinitiativen werden sich nicht einig. Deshalb soll der Senat ran, fordern die Grünen. Der aber will den Kaffee nicht kochen

VON ALEXANDRA MÜLLER

Berliner Pfannkuchen gibt es schon lange, Berliner Weiße auch. Daneben soll es bald Berliner Kaffee geben. Der aber soll keineswegs die hiesige Wirtschaft fördern, sondern kleine Kaffeebauern in Lateinamerika unterstützen. Deren Produkte werden vor Ort gekauft und direkt zum Verbraucher gebracht. Fairer Handel nennt sich das, weil nicht die sonst üblichen Zwischenhändler, sondern vor allem die Kaffeebauern daran verdienen.

„Global denken, lokal handeln“ ist das eingängige Motto entwicklungspolitischer Organisationen, die den fairen Handel organisieren. Um den Absatz der Produkte zu erhöhen, haben sie nun ihr Motto umgedreht. Sie selbst bewältigen den globalen Handel zwischen Produzent und Verbraucher. Der wiederum darf ganz lokalpatriotisch denken und einen Kaffee mit dem Namen seiner Heimatstadt kaufen. Die Bohnen werden in von Unternehmen gesponserte Tüten mit Stadtlogo verpackt und vom Bündnis weitervertrieben an Verkaufsstellen wie Weltläden, Supermärkte, Kirchengruppen, Bäckereien etc. In Oldenburg, Göttingen oder Hamburg funktioniert das schon (siehe Interview). In Berlin aber hapert es, denn die Basisgruppen denken zu lokal.

Viele Bezirke unterhalten Städtepartnerschaften mit süd- oder mittelamerikanischen Kaffeestädten. Jeder Bezirk aber wolle nun „seine“ Partnerstadt als Projektpartner durchsetzen, sagt Annette Berger, Koordinatorin beim Netzwerk Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER). Seit drei Jahren bemüht sie sich vergeblich, das Bohnengeschäft auf den Weg zu bringen. Auch weil es Ost-West-Diskrepanzen gebe: „Was kommt auf die Kaffeetüte? Der Fernsehturm oder die Gedächtniskirche?“ Außerdem fehle die Finanzierung einer Projektstelle.

Deshalb versuchen nun die Grünen, das Projekt von ganz oben in Schwung zu bringen – per Antrag im Abgeordnetenhaus. „Darin wird der Senat aufgefordert, den Berlin-Kaffee zu initiieren“, sagt Oliver Schruoffeneger, stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Die Erfolgsaussichten sind gering. „Der Senat wird keinen Kaffee vertreiben. Das ist nicht seine Aufgabe“, sagt Jürgen Varnhorn von der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit, die bei der Wirtschaftsverwaltung angesiedelt ist. Solch eine Initiative müsse von den entwicklungspolitischen Organisationen getragen werden, betont Varnhorn.

Ein weiteres Problem für den fairen Berlin-Kaffee sieht Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg: „In einer Pleitestadt mit armen Publikum werden teure Bio- oder Fair-Trade-Produkte weniger gekauft.“ Tatsächlich aber gibt es schon fair gehandelte Produkte – auch in Berliner Supermärkten. Da drängt sich eher die Vermutung auf, der Berlin-Kaffee verdränge den „normalen“ fairen Kaffee.

José Garcia, zuständig für den Kaffeevertrieb bei dem fairen Importeur Gepa, dementiert Verdrängungsgerüchte. Vielmehr sei ein generelles Wachstum des fairen Kaffeeumsatzes zu vermerken. „Dank des Stadtkaffees konnte die Gepa zwischen 2002 und 2004 den Kaffeeabsatz bundesweit um 2 Tonnen steigern“, so Garcia. Dabei sei der Umsatz des „alten“ fair gehandelten Kaffees aber nicht gesunken.

Deshalb will der BER das Projekt nochmal frisch aufbrühen. Zum 1. September hat er weitere Drittmittel beantragt – auch bei der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit. Denkbar sei auf jeden Fall die Vermittlung einer Schirmherrschaft des Senats, heißt es dort. BER-Koordinatorin Annette Berger hat sich ein Ziel gesetzt: Zur WM 2006 soll der Berlin-Kaffee serviert werden.