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Liebe, Herzschmerz, Freude

Ein Supernormalo steht da auf der Bühne mit seiner Akustikgitarre. Der Nino aus Wien spielte im Lido

Von Andreas Hartmann

Der Nino aus Wien singt zwar sehr viel über Kneipenabstürze, über letzte Tschicks, die noch geraucht werden müssten, bevor nach mal wieder zu vielen Spritzern das wirklich finale Rausschmisslied aus der Jukebox ertönt. Er selbst wirkt bei seinem Auftritt im Lido aber recht nüchtern. Wo die ziemlich erfolgreiche Wiener Band Wanda alles dafür tut, auch live auf der Bühne so zu wirken, als dürfe bei ihnen niemand ohne ein paar Marillenschnäpse intus sein Instrument auch nur berühren, sieht der Nino, der Nino Mandl heißt, so aus, als sei sein Lieblingsgetränk eine gut gekühlte Spezi.

Ein Supernormalo steht da auf der Bühne mit seiner Akustikgitarre. Im Vergleich zu ihm wirken die Mitstreiter seiner Band an E-Gitarre, Schlagzeug und Bass geradezu wie gestandene Rock-’n’-Roller, obwohl auch sie durch keinerlei Bühnenexzesse auffallen.

Neben besagten Wanda und den viel gelobten Bilderbuch hat sich in den letzten Jahren auch der Nino als einer aus der Neuen Wiener Schule, die seit einiger Zeit für Furore sorgt, einen Namen gemacht. Auch er knüpft dezidiert an den guten alten Austropop an, stellt sich in die Tradition von Falco, Georg Danzer und Wolfgang Ambros, entstaubt das Genre jedoch gehörig. Nicht nur die Musik aus der Heimat ist für ihn wichtig, sondern auch amerikanischer Indierock und, nach eigener Aussage, die Ramones.

Heraus kommt dabei ein herrlicher Mischmasch aus referenziellem Rock und Wiener Schmäh. Letzterer ist in seinen Songs so präsent wie bei seinem ganzen Auftritt in Berlin. Mit trockenem Humor und in ungetrübtem, teilweise nur schwer zu verstehendem Wienerisch führt er immer wieder in seine Lieder ein. Er wirkt dabei demonstrativ gelangweilt und garniert seine Ansagen mit der Art trockener, humorvoller Sprüche, wie sie nur die Österreicher hinbekommen.

Da spricht er etwa von einem Lied, das er gleich performen werde und das er sich zu großen Teilen bei Bob Dylan abgeschaut habe. Ob er bei ihm überhaupt derart abkupfern dürfe, habe er Dylan einmal schriftlich gefragt. „Ich habe nie eine Antwort bekommen“, sagt er. Dylan und er, das sei sowieso eine spezielle Sache, fährt er fort. „Wir haben sogar am selben Tag Geburtstag“ – Kunstpause – „fast.“ Und so geht das dann immer weiter bei der kurzweiligen Nino-Revue. Das Lido ist relativ gut gefüllt. Aus dem ehemaligen Geheimtipp, der bereits zig Platten aufgenommen hat, ist ein kleiner Star geworden.

Man mag in Deutschland seine mundartgetränkten Texte nicht immer genau verstehen, aber man ahnt doch, dass hier ein echter Poet vor allem über Alltägliches, über Liebe, Herzschmerz, Freude und Nie­dergeschlagenheit zu singen weiß.

Mal rockt er mehr, mal rockt er weniger. Am liebsten weniger, darauf lässt sich schließen angesichts der Tatsache, dass er ziemlich viele seiner melancholischen Balladen auffährt. Gegen Ende des Konzerts greift der Bassist noch zur Klarinette, und der E-Gitarrist zeigt, was er am Klavier so draufhat. Und der Nino trinkt auf der Bühne dann tatsächlich doch noch ein Bier.

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