Bernhard Pötter Wir retten die Welt: Wahnsinn 2018 – Was haben wir gelernt?
Zweiter Weihnachtstag, 6 Grad, Nieselregen. „Ich hasse dieses Wetter“, grummelt unser Freund R. Auf dem Spaziergang überlegen wir, wie oft wir in den letzten 20 Jahren weiße Weihnachten erlebt haben. Zweimal? Dreimal? Selbstverständlich war auch diesmal wieder Essig mit White Christmas. Das hat ja auch sein Gutes. Wir können durchgehend Rad fahren. Und der eine oder die andere denkt inzwischen darüber nach, ob es so etwas wie Klimawandel geben könnte. In all dem Hin und Her in diesem Klimakrisenjahr 2018 ist eines klar geworden: Gott hat die Seiten gewechselt. Noch vor ein paar Jahren beschwerten sich Klimaschützer in den USA regelmäßig: „God is a Republican“. Jedes Mal, wenn im Dezember eine UN-Klimakonferenz anstand, versanken die USA in meterhohem Schnee und Blizzards. Die Republikaner höhnten: „So also sieht die globale Erwärmung aus.“ Diese Kritik haben sich Gott, Petrus oder wer immer Chef de Cuisine in der globalen Wetterküche ist, aber offenbar zu Herzen genommen. Zumindest in diesem Jahr haben die himmlischen Wolkenschieber uns das „Wetterklima“ so um die Ohren gehauen, dass selbst hartleibige Zyniker nun an die Gesetze von Physik und Chemie glauben: Immer mehr Treibhausgase gleich immer mehr Treibhaus. Feuerstürme verwüsten Kalifornien, Japan versinkt im Rekordregen, Europa schwitzt sich durch einen Dürresommer. Zumindest in den Medien, bei manchen Politikern und vielen Otto CO2-Normalverursachern ist hängen geblieben: Da ändert sich was. Wir müssen was tun. Dann buchen sie den Weihnachtsurlaub in Costa Rica. Dieses Mal mit schlechtem Gewissen. Hat 2018 etwas verändert? Sicherlich darin, wie wir über den Klimawandel reden. Wer am Rhein wohnt, hatte eine Zukunft gesehen, in der aus dem mächtigen Fluss ein Rinnsal wird. Ändert das die Haltung zum Hambacher Forst nebenan? In Cottbus konnte der Tagebau nicht wie geplant geflutet werden – es fehlt das Wasser aus der Spree. Wächst da die Erkenntnis, dass mit der Braunkohle schneller Schluss sein muss? Das Wahnsinnsjahr 2018 mit Hitze, Dürre, Ernteausfall und Klimawarnung hat viele Leute aufgeschreckt. Jetzt kommt’s drauf an: Legen wir uns wieder hin – oder stehen wir auf? Zum Beispiel, wenn es um die Empfehlungen der „Strukturkommission“ zum Kohleausstieg geht oder um das „Klimaschutzgesetz“, das die Regierung im neuen Jahr plant. 2018 hat gezeigt: Zu verhindern ist der Klimawandel auch hier nicht mehr. Wir müssen uns an ihn anpassen. Mit ernst gemeintem Klimaschutz und kluger Planung. R. und ich zum Beispiel schlagen vor: Wir verlegen Weihnachten auf Anfang Februar vor und feiern es nur noch ab 1.000 Meter über Normalnull. Die weiße Weihnacht ist gerettet.
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